MyLady Weihnachtsband 2009 Band 18
Ausgestoßenen.
Das wird ihnen noch leid tun, wenn sie erfahren, dass ich, wenn ich einmal groß bin, ein Viscount sein werde!
Das Herz zum Bersten voll, ging Harry den Mittelgang hinunter, bis er unter dem Buntglasfenster mit der Madonna stand. Er grinste zu ihr hinauf, die gelassen auf das Jesuskind in ihren Armen herablächelte.
Sehr leise, damit die schwatzenden Frauen ihn nicht hörten, sagte er: „Das letzte Mal, als ich hier war, hab ich dir gesagt, ich würd nicht an Weihnachten glauben. Aber jetzt glaub ich dran. Du hast mir meinen Vater zurückgeschickt – meinen richtigen Vater –, und das ist mehr, als ich verlangt habe. Und er schenkt Mum ein Baby, und dann sind wir eine richtige Familie. Danke.“
Nachdem er so seine Dankesschuld beglichen hatte, drehte Harry sich um, schob die Hände in die Jackentaschen und schlenderte den Mittelgang hinauf. Er war gerade an der Tür angelangt, als ein schelmisches Grinsen sein Gesicht erhellte.
„Puh!“ Er kicherte und warf einen letzten Blick zurück. „Wenn du dich mal entscheidest, jemanden zu erhören, dann machst du keine halben Sachen, was?“
– ENDE –
Terri Brisbin
Sehnsüchtige Küsse,
unterm Mistelzweig
1. KAPITEL
Blau züngelten die Flammen über der großen Schüssel, über die sich einige junge Herren für den nächsten Versuch beugten.
Julia Fairchild beobachtete die Possen der jungen Männer, die sich im Salon ihres Schwagers zu einer Runde Rosinenfischen um den Tisch versammelt hatten, und fragte sich, ob sie wohl von all der Trinkerei den Verstand verloren hatten oder schon ohne auf die Welt gekommen waren.
Nun, es sind Engländer, dachte sie seufzend, da ist alles möglich.
Der nächste Spieler – ein gewisser Mr. Jeremy Stockton, wenn sie sich recht entsann – krempelte die Ärmel auf und dehnte in Vorbereitung die Finger. Dann wedelte er mit dem Arm über die auf dem Brandy züngelnden Flämmchen, tauchte die Hand hinein und klaubte erfolgreich eine Rosine aus der Schüssel. Die Zuschauer und Mitspieler jubelten ihm aufmunternd zu, während er sich die heiße Frucht in den Mund steckte.
Julia war schon im Begriff, sich von der frivolen Runde abzuwenden, da entdeckte sie eine vertraute Gestalt. Sie wollte nicht den Anschein erwecken, als interessiere sie sich für die Torheiten, die zumindest teilweise ihretwegen veranstaltet wurden, doch wollte sie sich den Mann, der auf der anderen Seite des Salons stand, genauer ansehen, und so ging sie zu der Gruppe am Tisch hinüber. Der Mann stand steif an einem Fenster. Dabei stützte er sich ein wenig an der kunstvoll geschnitzten Zierleiste auf, die das hohe Fenster umrandete.
Julia betrachtete ihn von der Seite und überlegte, ob es sich wirklich um Iain Mac Lerie handelte. Bevor sie noch zu einem Schluss kommen konnte, brach unter den Spielern Geschrei aus, und sie schaute zu ihnen hinüber, um zu sehen, was den neuesten Aufruhr verursacht hatte. Anscheinend war Mr. Stockton mit einem erfolgreichen Versuch nicht zufrieden gewesen; er hatte noch einmal zugegriffen und sich die Härchen auf dem Unterarm versengt.
Alberner Stutzer, dachte sie. Möglicherweise hatte sie die Worte sogar leise vor sich hin gemurmelt, weil sie nie damit gerechnet hätte, dass jemand von ihrer unhöflichen Bemerkung Notiz nehmen würde. Doch ausgerechnet in diesem Augenblick drehte sich der Mann am Fenster um und begegnete ihrem Blick. Selbst von ihrem Standpunkt aus konnte sie erkennen, dass er ein Lächeln zu unterdrücken versuchte, weil er ihr die Worte von den Lippen abgelesen hatte.
Es war tatsächlich Iain! Er war hier!
Nun sah Julia sein Gesicht. Obwohl er älter geworden war und sich verändert hatte, erkannte sie ihn sofort. Ohne sich groß Gedanken um Anstand und Sitte zu machen, ging sie zu ihm hinüber, um mit ihm zu reden. Erst im Näherkommen sah sie den Gehstock in seiner linken Hand.
Zwischen ihnen lag so viel mehr als ein paar Jahre, denn dieser Stock kündete von den zahlreichen schmerzvollen Monaten, in denen er sich von dem Kutschenunfall erholt hatte, bei dem er vor vier Jahren beinahe den Tod gefunden hätte. Seine Eltern hatte er das Leben gekostet. Vier Jahre, in denen er sich von seinen Freunden und seinem Leben zurückgezogen hatte, um sich ganz auf seine Genesung zu konzentrieren – die seine Ärzte für unmöglich gehalten hatten. Nun stand er vor ihr, ein Mann inzwischen, nicht mehr der Knabe, in den sie immer ein wenig verliebt gewesen war,
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