MyLady Weihnachtsband 2009 Band 18
Sie seufzte und schob sich näher ans Fenster in der Hoffnung, die eisigen Scheiben könnten ihre heißen Wangen kühlen.
Vor dem Zimmer ihrer Freundin war Clarinda stehen geblieben und hatte Julia abgeraten, Anna irgendetwas von den Ereignissen dieses Vormittags zu erzählen. Zuerst war Julia nicht überzeugt gewesen, dass dies der richtige Weg sei, doch als sie das bleiche Gesicht ihrer Schwester erblickte, war sie geneigt gewesen, Clarindas Rat zu befolgen. Schließlich war es nicht nötig, dass sie Anna noch weitere Sorgen aufbürdete. Und sie selbst brauchte keine Gardinenpredigt. Julia war sich vollkommen im Klaren darüber, dass sie Iain nicht hätte küssen dürfen.
Aber sie hatte es getan und, ach, dieser Kuss!
Sie berührte die Lippen mit den Fingern und fragte sich, was wohl passiert wäre, wenn sie nicht gestört worden wären. Die Küsse, die er ihr auf die Wange und das Kinn gehaucht hatte, hatten ihr ebenso Schauer über den Rücken gesandt wie der Kuss auf ihren Mund. Vielleicht sogar mehr? Und er hatte die empfindsame Stelle unterhalb des Ohres berührt – nein, geleckt. Dort prickelte es immer noch. Was hätte er wohl als Nächstes getan?, überlegte sie, während sie sich gleichzeitig von diesen allzu belebenden Vorstellungen abzulenken versuchte.
Als ob ihre Gedanken ihn heraufbeschworen hätten, entdeckte Julia, wie Iain auf einem Pfad auftauchte und auf das Haus zukam. Vorsichtig nahm er jeden Schritt, setzte bedacht seinen Stock auf dem verschneiten Weg. Er sah nicht auf, und sie spürte, dass ein Mangel an Konzentration ihn in Gefahr bringen könnte. Sosehr sie auch versucht war, ans Fenster zu klopfen und so seine Aufmerksamkeit zu erringen, gab sie sich damit zufrieden, ihn zu beobachten. Ihr Atem ließ die kalten Fensterscheiben beschlagen, sodass es allmählich schwer wurde, ihn zu sehen, ohne die Scheiben sauber zu wischen.
Da sie wusste, dass er an diesem Raum vorbeimusste, wenn er auf sein Zimmer gehen wollte, zupfte sie ihren Schal zurecht, verließ den Fensterplatz und begann langsam und wie ziellos umherzuschlendern. Gleichzeitig lauschte sie auf das Klicken seines Stocks auf dem Parkettboden im Flur. Gerade als sie bei der Tür war, hörte sie ihn kommen. Sie nickte einem Lakaien zu und wartete den rechten Moment ab, um das Zimmer zu verlassen – und Iain ganz zufällig über den Weg zu laufen.
„Mr. Mac Lerie“, sagte sie munter. „Kommen Sie gerade von draußen herein?“ Natürlich tat er das, aber irgendwie musste sie das Gespräch ja anfangen. Die Damen hinter ihr im Salon konnten schließlich jedes Wort mithören, da musste alles höflich und ungezwungen klingen.
„Ja, allerdings, Miss Fairchild“, entgegnete er, ebenfalls in die förmliche Anrede verfallend.
„Und was halten Sie vom Wetter? Ist es schrecklich kalt, jetzt, wo es zu schneien angefangen hat?“ Dumme, völlig witzlose Fragen, das wusste sie, aber zumindest gab es ihr Gelegenheit, mit ihm zu reden, seine Miene zu studieren, während er ihr antwortete. Seine Lippen zu beobachten und daran zu denken, wie sie sich angefühlt hatten.
„Nein, nicht allzu kalt. Nicht so beißend kalt wie in Broch Dubh, vielleicht erinnern Sie sich. Wenn man warm angezogen ist, ist es eigentlich recht angenehm.“
„Ich darf Sie nicht aufhalten, Mr. Mac Lerie, vor allem, wo Sie gerade aus der Kälte hereinkommen. Werden wir Sie heute beim Dinner sehen?“
Über sein Gesicht huschte ein bekümmerter Ausdruck, war im nächsten Augenblick aber schon wieder verschwunden. „Leider nicht. Aber danke der Nachfrage.“
„Dann zur Abendunterhaltung? Lord Treybourne plant eine Art Kartenturnier für die Gentlemen“, meinte sie. Irgendwie war es ihr wichtig, ihn mit einzubeziehen. „Wenn ich mich recht erinnere, sind Sie beim Whist recht gut, oder war es Cribbage?“
„Sie sind zu freundlich, Miss Fairchild. Ich fürchte aber, dass ich bei beiden Spielen aus der Übung bin und nur ein Ärgernis wäre für jeden Partner, den man mir zuweist. Aber auch hier, danke der Nachfrage.“
Wenn sie noch einen Augenblick höflich sein musste, würde sie die Selbstbeherrschung verlieren und damit auch die ganze Täuschung zerstören, die ihr – ihnen – nach der Kussszene gelungen war. Trotz aller Bemühungen, ihn in den geselligen Kreis zu ziehen, blieb er standhaft.
„Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, Miss Fairchild? Ich bin mit meinem Onkel verabredet und möchte ihn nicht warten lassen.“
Höflich verneigte er
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