Myrddin
hechelnd zu ihm heran. Merlin schaute ihm strahlend in die graugelben Augen und flüsterte ihm zu: „Melchor, zu loben brauche ich dich nicht und mein Dank ist groß. Ich bitte dich, mich zu maßregeln, sollte ich dir und deiner Familie nicht gerecht werden und es selbst nicht merken. Darum bitte ich dich, um unserer Freundschaft willen.“
Melchor schaute ihn prüfend an, sah zu seinen Wölfen hinüber und traf wieder auf Merlins gütigen, klaren Blick.
„Ich weiß, daß ich manchmal schelmisch und komisch wirke. Sogar Hörn sagte mir vor Zeiten Koboldhaftes nach. Kümmere dich einfach nicht darum, sondern glaube bitte meiner aufrichtigen Zuneigung zu euch. Meine Späße, so sie über mich kommen: nimm sie nicht persönlich. Einverstanden?“ fragte Merlin den Grauwolf bescheiden.
Melchor wurde etwas beschämt bei dem Gedanken an die Gespräche in der Nacht, und er wußte nicht, ob Merlin ihnen womöglich hatte zuhören können.
„Einverstanden, o Merlin“, sagte er dann und drückte seine Schnauze tief in Merlins Achsel.
„Gut, Freude. Laßt uns ziehen. Nordkvaloy … was ist es doch für eine ungastliche Insel. Wir ziehen in den Süden, nach Britannien, zu Ahorn und Eichen“, rief er, schaute auf seine Höhle zurück, spürte den klammen Schmerz in seinem Hals, der ihm die Kehle zuschnürte, und wartete auf den Abmarsch der Wölfe, die allerdings hechelnd auf sein Zeichen warteten.
Der alte Wolfsführer nickte ihnen zu, so daß sie antrabten, den mit scharfen Steinklingen übersäten Weg den Felsen hinab, zu der kleinen Bucht, in der sie das Boot HAMAMELIS beladen und mit Vorräten bestückt hatten. Merlin stolperte den Wölfen hinterher und ihm folgte Hörn, der sichergehen wollte, daß Merlin nicht zurückblieb oder in einer durchaus möglichen Sinneswandlung Nordkvaloy und so die Höhle zu seiner Gruft ausrief, da er sich von ihr nicht länger zu trennen wusste.
Weißblaues Licht lag über dem Gebirge Norwegens. Die Sicht war so klar, daß sie die Gipfel des Haldijakko sehen konnten. Ihre Route sollte sie in den Nordwesten führen, weit auf das Eis hinaus, in die unwirkliche Wüste klirrender Unbeschaffenheit.
Die Wölfe warteten am Boot, als Merlin den verschneiten Weg von seiner Insel herabgestiefelt kam, seinen dichten Anorak überstülpte, die Hände tief in die Handschuhe steckte und seine Decke über die Schulter geworfen hatte. Und schon jetzt stellte sich das erste Problem: die Wölfe meinte, Merlin würde sich vor HAMAMELIS in leichten Trab versetzen und sein Boot selbst ziehen. Rasch erkannten sie, daß dieser tapsige, alte Mann weder ihre Ausdauer haben würde noch ihre gleichbleibend hohe Geschwindigkeit des Wanderns halten könnte, ungeschickt, wie er durch den Schnee gestapft kam. Während die Wölfe ratlos dastanden, setzte sich Merlin keck mit seinem Stab in der Rechten wie selbstverständlich zwischen die Beutel und Säcke in das Boot, machte es sich gemütlich, und den ärgerlich fragenden Blicken seiner Artgenossen konnte Melchor mit keiner Antwort entsprechen. Der Grauwolf wandte sich an Hörn, doch auch dieser wußte nicht, wie sich Merlin die Reise praktisch gedacht hatte. Jemand mußte den Zauberer und das Boot offenbar ziehen. Das war ihm klar geworden. Doch sollte er es sein, den Merlin für diese Aufgabe ausersehen hatte? Oder waren es die Wölfe, die er vor die HAMAMELIS spannen wollte? Sie waren schnellere Läufer als Hörn. Er aber war kräftiger. Und Merlin selbst wartete nur darauf, daß es losgehen sollte. Er blickte tatenlustig in die Runde und verstand die Verwirrung seiner Freunde nicht, die unentschlossen um ihn herumstanden.
„Hörn, komm schon. Ich will dich in den Zaum legen. Der Hart Fell wartet auf mich“, sagte Merlin und Hörn warf einen gutmütigen, doch enttäuschten Blick zu Melchor, der diesen stumm zu erwidern verstand.
Was Hörn für Merlin tat und wie bedingungslos er sich dem greisen Menschen fügte, war selbst für Melchor aller Ehren wert, der Respekt und Anerkennung gewohnt war. „Hörn, wo bleibst du nur? Die Insel war doch niemals Heimat für uns. Sie war nur ein Exil! Komm schon!“ rief Merlin auffordernd und machte sich selbst damit Mut.
Die Wölfe ärgerte der befehlende, spöttische Ton des Alten, der sich faul und tatenlos in die Holzschale gesetzt hatte und nun zu erwarten schien, daß alle um ihn herumspringen würden. Und Carus konnte sich den Kommentar nicht verkneifen, daß man mit seinen Läufen nach Britannien käme und
Weitere Kostenlose Bücher