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Myrddin

Myrddin

Titel: Myrddin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Saunders
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…“
    „O Merlin, lasse uns gehen. Ich rieche die Menschen. Sie kommen uns näher“, rief Melchor dem verträumten Merlin zu, als plötzlich schon eine Stimme ertönte, die für Merlin aus dem Nichts zu kommen schien.
    „Hey! Ihr zwei da! Seid ihr lebensmüde? Weg vom Eis!“ Ein Mann war eine Leiter heruntergeklettert und konnte zwei Silhouetten erkennen. Er war in der berechtigten Annahme, sie zur Belegschaft der Bohrinsel zu zählen.
    „Haut ab! Verdammt. Weg vom Gestänge! Wir fangen gleich wieder zu bohren an!“ schrie der Mann.
    „In Ordnung!“ rief Merlin schlagfertig zurück und verschwand mit Melchor wie ein Schatten im Nebel des Schnees.
    „ Alles klar bei dir, Tjorven – over“, krächzte eine Stimme aus einem Sprechfunkgerät, das der Mann bei sich trug.
    „Sekunde noch – over!“ rief er in das Gerät und lief dorthin, wo er die zwei Gestalten gesehen hatte. Doch er konnte nichts mehr entdecken. Aber hatte er nicht einen Ruf gehört? „Einbildung. Wahrscheinlich sehe ich schon Gespenster“, sagte er zu sich selbst. Es wurde Zeit, daß man ihn ablösen käme, sagte er sich und zugleich dachte er an zu Hause in Stavanger und rief zurück: „Okay! Let go!“ Und unter einem ohrenbetäubenden Kreischen, das das Bohrgestänge in Rotation setzte, bis man eine gleichmäßige Umdrehungsgeschwindigkeit erreicht hatte, stießen unsichtbare Bohrer tiefer in ein unterseeisches Gebirge vor.
    Merlin rannte so schnell er konnte, doch längst nicht schnell genug für Melchor, der voransprang und auf den plumpen Zauberer warten mußte. Sie hatten starken Seitenwind und in Merlins Gesicht peitschte der Schnee, als wolle er einen Abdruck seiner feinsten Falten. Er kniff die Augen zusammen. Und so kamen sie zu Hörn. Mit für nicht möglich gehaltener Gewandtheit sprang der alte Mann seinem Hirsch auf den Rücken und rief diesem atemlos zu: „Zurück zu den anderen … so schnell dich deine Beine tragen!“
    Hörn, der schon das Schlimmste befürchtet hatte, als die Vibrationen im Eis aufgehört hatten, befürchtete nun noch Schlimmeres, da er Merlin in solcher Erregung nur selten gesehen hatte. Und der Seher rief vom Rücken seines Tieres zu dem gegen den Wind fliehenden Melchor hinunter: „Riechst du die Menschen …?“
    „O Merlin. Ich rieche die Menschen. Ich rieche Pest und Gift und ihre Maschinen …“
    „Nein, Melchor. Folgen uns Menschen, oder vermischt sich ihr Geruch schon mit der Schneeluft in deiner Nase?“
    „Es wird schon besser. Sie folgen uns nicht. Aber lasse uns fort von hier!“
    „Ja, ja …“, lachte Merlin. Sie orientierten sich wieder an den Schwingungen im Eis, die unter ihnen geringer wurden, und hatten bald das Boot mit den Wölfen erreicht. Sie lagen fast begraben unter der Flockendecke und hatten gewartet. Als sie ihre Freunde kommen sahen, kamen sie auf die Beine, schüttelten den Eispelz ab und sprangen auf sie zu.
    Melchor war von dem Geschehen sichtlich eingenommen und Merlin lachte lauthals. Was für ein Erlebnis, das er Hörn erzählen mußte. Auch die Grauwölfe hörten zu und Melchor ergänzte die Geschichte damit, daß Merlin wie selbstverständlich In Ordnung gerufen habe, als der Mensch sie angesprochen hatte. Merlin lachte, während Melchor vor Angst noch ganz schlecht war, doch die anderen Wölfen begannen in das Lachen Merlins einzustimmen.
    „Wiegt sie nur in Sicherheit. Bestätigt ihnen das, was sie hören wollen … und schon habt ihr eure Ruhe“, meinte er kichernd.
    „Eine gute List“, fand auch Hörn und schmunzelte über den Trickser und sein Repertoire, doch noch mehr interessierte es ihn, was es mit dem gewaltigen Dolmen auf sich hatte. Antwort darauf würde er erst später erhalten können, wenn es für ihn nicht mehr wichtig sein würde. Ein Dolmen inmitten der Fluten und Stürme des Nordmeeres? Wozu waren die Menschen noch in der Lage, fragte er sich, als sie sich wieder auf die Reise machten. Merlin war in das Boot gesprungen und sie preschten weiter in den Süden, das unheimliche Gefühl unter ihren Tatzen hinter sich lassend. Und wie im Flug stürmten sie durch den tiefen Schnee.
    Akita lief wie üblich neben dem Boot her und sagte erleichtert: „Was für ein Glück, dieser Schneewind, o Merlin. Was wäre nur gewesen, wenn euch der Mensch gesehen hätte?“ Und Merlin antwortete:
    „Ja. Was für ein Glück!“ und malte sich selbst aus, was wohl geschehen wäre, wäre es zu einer Begegnung gekommen. Darüber allerdings schwieg er sich

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