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Myrddin

Myrddin

Titel: Myrddin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Saunders
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nicht verstehen und fuhren zurück nach Hersvik. Es geschahen schon Dinge in den Bergen und auf dem Eis, die man nicht erklären konnte. Aber die Landleute waren daran gewöhnt.

XI
    So schnell wie möglich hatten sie sich von Ospa aufgemacht, damit sie den Menschen nicht noch einmal begegnen mußten. Ein letztes Mal war Carus zu Merlin in die HAMAMELIS gesprungen, und der Treck zog in Richtung Westen wieder auf das Eis hinaus. Der Zauberer und die Tiere hatten noch nicht miteinander sprechen können, sondern waren sofort, nachdem die Wölfe die Fasane gefressen hatten, losgesprungen – ihrer letzten gemeinsamen Etappe entgegen, wie sie Merlin sagen hörten, falls sie ihn nur bis Südskandinavien begleiten würden. Und diese Entscheidung stand den Wölfen bevor.
    Sie waren wieder in den Weiten des Eises verschwunden, hatten die Menschen und Länder hinter sich gelassen, die Küste schon wieder vergessen, die dröhnenden Geräusche der Motoren überwunden, die die Wölfe kannten – Merlin aber nicht –, und wußten nicht, was geschehen war, da sie die Menschensprache nicht beherrschten. Ohne Worte zu wechseln, liefen sie schon seit Stunden, jeder in seinen Gedanken versunken.
    Der Schnee auf dem Eis war verschwunden, und sie rüttelten mit HAMAMELIS über das gefrorene Wasser. Nicht mehr lange, dann würde ein kräftiger Wind vom Skagerak her um Norwegens Süden blasen, dachte Merlin, und das würde der Zeitpunkt sein, auf den er gewartet hatte.
    Weit hatten sie sich schon auf die Viking-Bank hinausgewagt. Hätte der starke Frost das Wasser nicht bis in die größeren Tiefen gefroren, wären sie längst in den Fluten der Norwegischen Rinne versunken, die sich in ihren nördlichen Ausläufern mit den warmen Wassern des Golfstromes mischten. Merlins alte Landkarten waren jedoch nicht genau genug gewesen. Die gefürchteten Winde des Skageraks waren erheblich weiter im Süden und er konnte ihnen auf seiner Route, die er mit den Tieren genommen hatte, nicht begegnen. Gleichzeitig orientierte er sich nach den Sternbildern, die ihm zeigten, daß er unmittelbar vor dem sechzigsten Breitengrad nördlicher Breite war. Und das war für ihn der Anlaß, seine Tiere anzuhalten, gleichwohl es eine windstille, sternengekrönte Nacht war. Sie waren in einer beschwingenden, menschenleeren Einsamkeit, und trotzdem war keinem wohl. Niemand fand aufmunternde Worte, und sie wußten plötzlich nicht mehr, wie sie sich dem anderen gegenüber verhalten sollten, obwohl sie sich kannten und verehrten.
    Merlin holte wie üblich den Trockenfisch aus den Säcken – dazu das Brot – und schmolz mit seinem Kristall die Oberfläche des harten Eises, da er keinen Schnee finden konnte. Carus, der die letzten Stunden zum ersten Mal mitgelaufen war, stürzte sich als erster auf das Wasser und dann auf den Fisch. Er fühlte sich großartig, war zu Kräften gekommen, nachdem er das Federvieh gierig verschlungen hatte, das ihm Merlin vor Ospa hingeworfen hatte.
    Der Zauberer störte die Tiere während des Fressens niemals. Er vertrieb sich die Zeit entweder mit seinem Gepäck oder durch Spaziergänge in der Nähe des Lagers. Keiner der Gefährten hätte jemals zu dem Ort gelangen wollen, an dem sie jetzt angekommen waren, und sie wußten, daß es ein Scheidepunkt in ihrem Leben sein würde, ganz gleich, was er für jeden Einzelnen beinhalten mochte. Sie spürten, daß nach dieser Nacht nichts mehr sein würde, wie es gewesen war. Sie wußten, wenn sie nach Schweden zurückkehrten, würde es keinen Sar Merodak mehr geben, den sie in Norwegen besuchen konnten und der sie in schlechten Zeiten beschützen oder mit Rat unterstützen konnte. Und es gäbe keinen Freund der Wölfe mehr, der einen Hirsch zum treuen Gefährten hatte. Er und sein Hirsch wären dann in einer fremden Welt, die sie Britannien nannten, auf dem Weg in die Anderswelt, die sich die Grauwölfe nicht vorstellen konnten. Vielleicht wären sie unter Menschen oder an anderen einsamen Plätzen, die eine sichere Zuflucht für einen Menschen wie Merlin sein könnten – doch der Norden Norwegens würde dann für die Wölfe zu einer unwirtlichen Wildnis geworden sein, da ihr großer Menschenfreund verloren wäre. Keiner von ihnen wollte weiterdenken, so schmerzlich waren die Aussichten für sie.
    Merlin kam zu den Wölfen zurück.
    „Glaubt mir, auch ich bin niedergeschlagen“, sagte er in die Runde, und die Wölfe, die sich bis dahin zusammengerissen und ihren Kummer verborgen hatten,

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