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Myrddin

Myrddin

Titel: Myrddin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Saunders
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Finger zu bekommen, an den er sich hätte klammern können, strampelte mit seinen Beinen gegen das Wasser – doch es half nichts. Er wurde in das Salzwasser getaucht, schluckte es und rutschte von der Scholle, sank in die kalten Fluten der Nacht … tauchte wieder auf … und die See zog ihn in seiner durchtränkten Kleidung hinab.
    Merlin hatte noch die Leine in der Hand – den Strick des Bootes. Er mußte sich hochziehen. Die Wellen schlugen über ihm zusammen und HAMAMELIS kreiselte an der Oberfläche zwischen stürmischen Schaumkämmen der eisigen Wogen.
    Merlin kämpfte den Kampf seines Lebens. Die Luft wurde in seinen Lungen knapp und seine Kraft drohte ihn zu verlassen. Und er zog sich langsam, seinen Stab zwischen den Zähnen, an dem Seil hoch, das um den Steven des Bootes gebunden war. Er hatte nicht mehr viel Zeit. Seine Hände konnten kaum noch greifen, so klamm waren sie ihm geworden – und plötzlich griff er in die Luft, aus dem Wasser heraus – und seinen Kopf konnte er über die Wasseroberfläche bringen, als ihm die Gischt in die Augen und die Nase schäumte.
    Eine Hand löste er vom Strick und griff nach dem Bord seines Bootes. Es gelang ihm. Die andere Hand mußte der ersten folgen, solange seine Arme noch Kraft besaßen, und immer wieder brachen neue Wellen über ihm zusammen. Doch seine Arme und Hände mußten ihn über die Bordwand ziehen, ermattet, wie sie waren. Sie wurden für ihn unkontrollierbar. Und doch könnte er es schaffen. Noch könnte es ihm gelingen.
    Bevor er mit der zweiten Hand die Bordwand ergriff, nahm er seinen Eschenstab aus dem Mund und warf ihn in das Boot. Dann krampfen sich seine Finger um das nasse Holz. Er atmete kaum spürbar und zog sich vorsichtig in die wankende Nußschale, die Schlagseite bekam und zu kentern drohte, da eine anrollende Gichtwelle HAMAMELIS und den an dem Außenbord hängenden Merlin überspülte. Doch die Welle hatte Merlins Bemühungen nur unterstützt und er wurde in das Boot hineingeschwemmt.
    Zitternd blieb er liegen, versuchte sich zu besinnen, wo er war, fühlte dann das Buch auf dem Bauch, und plötzlich wurde ihm schlecht. Er hatte zuviel Salzwasser schlucken müssen. Er erbrach, was durch seine Nase gequollen war. Sein Magen schmerzte und seine Kehle würgte. Er bekam kaum noch Luft und mit jedem Atemzug, den er tat, schluckte er neues Wasser.
    Merlins Gleichgewichtssinn verlor sich. Zitternd klammerte sich der Zauberer mit beiden Händen an die Bordwand und wurde mit seinem Boot durch die Wellen gewirbelt. Seine Augen verdrehten sich und seine Sinne schwanden. Als er nach Momenten wieder zu sich kam, übergab er sich abermals und wäre dabei fast über Bord gefallen. Mit letzter Kraft rappelte er sich irgendwie hoch, lehnte sich zurück und war der allmächtigen Willkür der Nordsee ausgeliefert. Es lag nun an ihr, was mit ihm geschehen sollte. Seine Widerstandskraft war angesichts dieser Gewalt gebrochen. Er legte sich flach in das Boot, wurde von den Wellen und dem Meerschaum überspült und dachte nicht mehr an die Shetlands. Sein Leben flog vor seinen flimmernden Augen dahin. Seine Glieder waren durch das kalte Wasser steif geworden … und die ­HAMAMELIS tanzte in der offenen, gierenden See, als wäre sie endlich in ihrem Element.
    Der Wind hatte sich gedreht. Er blies aus dem Norden und drehte sich dann gen Osten. Merlin war es egal. Ihm war sterbenselend. Er hatte Durst und lag als Aufgebahrter in einem Boot, das darauf wartete, von einer Welle überspült zu werden und seinen Ballast über Bord zu werfen. Und die Wellen zeigten ihm ihr grausames Temperament, sobald der Wind ihre Wut entfachte.
    Merlin hatte den Eschenstab in seinen Gürtel gesteckt – sein Buch hatte er auf dem Bauch unter dem Rentierfell, seine Vorräte hatte er an den Sturm und an die See verloren. Um das Handgelenk hatte der den Hanfstrick des Bootes geknotet … und so liegend verlor er das Bewußtsein.

XIII
    Die Vanyar hatten sich auf die Reise gemacht. Sie hatten Merlins Ruf in ihren Landen vernommen und waren aus Calacirya aufgebrochen, nachdem man den Großen Rat einberufen hatte. Gewöhnlich mischten sich die Elfen nicht mehr in die Angelegenheit der Welt, da sie ihnen seit geraumer Zeit gleichgültig geworden war. Aber sie hatten Merlin als herausragenden Menschen kennengelernt, der erstaunliche Begabungen besaß und den sie Myrddin nannten. Dieser Name schien ihnen klangvoller und zutreffender, da er ein Talisien war, ein wahrer, unsterblicher

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