Myriams letzte Chance
Trainerschein.â
âDu hast ⦠what? â
âEinen Trainerschein. Wenn du willst, könnte ich Reitunterricht geben. Ich hab allerdings keine Wettkampfqualifikation. Nur Stufe C für Basissport.â
âAlso könntest du die Anfänger unterrichten?â
Tom nickte.
âWarum sagst du das nicht gleich? Ich mach sofort einen Vertrag mit dir! Thatâs just wonderful .â Sue klatschte begeistert in die Hände.
Tom lachte. âFinde ich auch. Ist wohl mein Glückstag.â
Dann begann sein Lächeln zu flackern wie das Licht einer Glühbirne, die kurz vor dem Durchbrennen war. Myriam folgte Toms Blick und sah, dass April soeben auf den Hof getreten war.
April sah super aus. Wenn sie wirklich die halbe Nacht wach gelegen und geheult hatte, wie Sue erzählt hatte, dann war das spurlos an ihr vorübergegangen. Ihre Wangen waren ein bisschen gerötet. Ihre Lippen wirkten etwas voller. Ihre Augen glänzten. Und ihr Haar war zerzaust. All das trug nur dazu bei, dass sie noch bezaubernder wirkte als sonst.
Myriam hatte heute Morgen einen Blick in den Spiegel geworfen, bevor sie das Haus verlassen hatte. Einen sehr kurzen Blick. Das hatte gereicht. Im Gegensatz zu April sah man ihr den fehlenden Schlaf sofort an. Sie war leichenblass, dunkle Schatten lagen unter ihren Augen und auf ihrer Stirn sprossen Pickel. Ihre Haare hingen fettig auf die Schultern, als ob sie sie drei Wochen lang nicht mehr gewaschen hätte.
Tom lächelte nicht mehr. Er starrte April mit offenem Mund an.
Er ist total verknallt in sie, dachte Myriam.
âAlso Tom, dich schickt der Himmelâ, meinte Sue, die von alldem nichts mitbekommen hatte. âEigentlich kannst du gleich heute anfangen und die Kinderreitstunde übernehmen. Halb sechs. Schaffst du das?â
Tom nickte, ohne den Blick von April zu wenden.
âMyriam, du könntest mir auch einen Riesengefallen tunâ, fuhr Sue fort. âIch muss unbedingt Sarah erreichen. Aber die Telefonnummer, die sie mir gegeben hat, stimmt irgendwie nicht. Vielleicht hab ich sie mir falsch notiert. Und das Bewerbungsschreiben von damals find ich nicht mehr. Kannst du mal im Internet nach ihrer Adresse und Telefonnummer suchen?â
âMach ichâ, versprach Myriam, während sie Tom anblickte, wie er April anblickte.
âDas ist wirklich nett. Ich komm zu überhaupt nichts mehr. Wenn nur die Sache mit Charlie endlich geklärt wäre!â
âCharlie?â Jetzt riss Tom seinen Blick endlich von April los. âWas ist denn los mit ihm? Ist er krank?â
âEr wurde entführtâ, erklärte April mit düsterer Stimme. âAm Sonntag nach dem Workshop hat ihn jemand geklaut.â
âWas, echt?â Tom sah Myriam an, als erwartete er ihren Widerspruch.
âDie Kidnapper fordern zwanzigtausend Euro. Und wenn wir nicht zahlen, dann â¦â April unterbrach sich und begann wieder zu schluchzen. âMein Dad ist so ein ⦠verdammter Idiot!â
âStop it, Aprilâ , sagte Sue streng. â Listen , ich muss mit dir reden.â
âEs gibt nichts zu reden. Ich gehe bestimmt nicht zur Polizei.â
âDu kommst jetzt bitte mit.â Ohne die Reaktion ihrer Nichte abzuwarten, ging Sue weg. April zögerte einen Moment lang. Dann gab sie sich einen Ruck, warf den Kopf in den Nacken und folgte Sue in ihr Büro.
âDas ist ja ein Dingâ, sagte Tom. âWer entführt denn ein Pferd?â
âCharlie ist ziemlich wertvollâ, sagte Myriam. âAber Aprils Vater will nicht bezahlen.â
âUnd jetzt?â
Myriam zuckte die Schultern. âFrag April. Sue will die Sache der Polizei übergeben, aber April sträubt sich mit Händen und FüÃen, weil sie Angst hat, dass die Entführer Charlie dann umbringen.â
âAber was bleibt ihr denn anderes übrig? Wenn ihr Vater nicht zahlt, kann sie Charlie nicht auslösen. Und dann stirbt er mit Sicherheit.â
âEs gibt noch eine dritte Möglichkeitâ, meinte Myriam.
âUnd die wäre?â
âWir finden den Täter und befreien Charlie.â
âHahaâ, sagte Tom. âDas ist nicht dein Ernst, oder? Wo willst du denn da anfangen? Oder habt ihr schon eine konkrete Spur?â
Myriam schüttelte den Kopf. Ihre wichtigste Spur war Merle gewesen und die war jetzt auÃer Verdacht. Blieb nur noch Ella und davon konnte sie Tom
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