Myriams letzte Chance
Charlieâ, sagte Tom. âWas habt ihr denn bisher rausgekriegt?â
âNicht viel.â Sie erzählte ihm von Merle und dem Päckchen, das sie im Schrebergarten gefunden hatten.
âDas ist ja ein richtiger Krimiâ, meinte Tom beeindruckt.
âAber weitergebracht hat uns das auch nichtâ, sagte Myriam. âAuÃer dass wir jetzt wissen, dass Merle echt arm dran ist. Stell dir das mal vor: Dein eigener Vater beklaut dich, um Geld für seine Sucht zu haben. Schrecklich!â
âDas ist wirklich der Hammerâ, stimmte Tom ihr zu. âKein Wunder, dass Merle so abgedreht ist.â
âHoffentlich fängt sie vor lauter Frust nicht selbst an zu saufen.â Myriam dachte an das Bier, das Merle Montagnacht auf der Parkbank getrunken hatte, und schauderte. âMein Vater nervt mich auch manchmal mit seinem Ehrgeiz, aber das ist kein Vergleich zu dem, was Merle mitmacht.â
âDein Vater nervt dich mit seinem Ehrgeiz?â, fragte Tom verwundert. âIst er etwa noch ehrgeiziger als du?â
Ich bin doch gar nicht so ehrgeizig, wollte Myriam gerade erwidern, aber im letzten Moment schluckte sie die Antwort hinunter. Tom kannte sie nur von ihrer Zeit auf der Kingsize Ranch, als sie wie eine Verbissene für dieses bescheuerte Turnier trainiert hatte.
âWas ist?â, fragte Tom, als sie nichts sagte. âHab ich dich beleidigt oder was?â
âNee. Es ist nur ⦠ich hab mich verändert in letzter Zeit. Auch wenn es vielleicht nicht so offensichtlich ist.â
Jetzt war es Tom, der schwieg. Vielleicht fand er ihre Antwort bescheuert. Vielleicht überlegte er krampfhaft, wie er am schnellsten wieder zur Ranch zurückkommen konnte, um April zu treffen. Myriam wollte gerade vorschlagen, dass sie umdrehen sollten, als er nachdenklich den Kopf schüttelte.
âIch find das alles total irre.â
âWas?â
âDass ich jetzt mit dir durch den Wald reite. Und vor ein paar Wochen fand ich dich so â¦â
â⦠blöd?â, schlug Myriam vor.
âNee, Quatsch! Also, ich fand dich schon irgendwie verrückt, aber auch cool. Ich hab dir oft beim Training zugesehen, hast du das nicht bemerkt?â
âDu hast mir zugesehen? Echt?â Nein, davon hatte sie nicht das Mindeste mitbekommen. Sie war vollkommen auf das Turnier fixiert gewesen.
âIch fand es gut, dass du dich von niemandem hast beirren lassen. Du hast einfach dein Ding durchgezogen.â
âDas war ja das Schlimme. Ich war besessen damals. Hab nicht mehr nach links und rechts gesehen und nur noch trainiert. Verrückt, wirklich. Aber das ist jetzt vorbei. Ich hab mir geschworen, nie wieder ein Turnier zu reiten.â
âSiehst du? Du machst es schon wieder!â
âWas?â
âDu triffst eine Entscheidung und dann ziehst du die Sache durch. Egal, was die anderen dazu sagen. Das gefällt mir.â Er grinste. âElla war damals eifersüchtig auf dich, weiÃt du das?â
âAuf mich?â, fragte Myriam entgeistert. âDas ist doch Blödsinn!â
Eine Sekunde lang freute sie sich darüber, dass sie Ella eifersüchtig gemacht hatte. Dann wurde sie plötzlich wütend. Warum erzählte ihr Tom das überhaupt? Was wollte er von ihr, wenn er in Wirklichkeit auf April stand?
âMachst du das eigentlich immer so?â, fragte sie ärgerlich.
âWas?â
âNa, du tust so, als ob du ⦠auf mich abfährst. Aber in Wahrheit interessierst du dich â¦â ⦠nur für April, wollte Myriam sagen . Aber sie brachte die Worte nicht über die Lippen.
âFür wen?â, fragte er irritiert. Das Grinsen war aus seinem Gesicht verschwunden.
âNichts. Ist egal.â Myriam blickte auf ihre Armbanduhr. Halb elf. âIch hab noch eine Verabredung. Wir reiten besser mal zurück.â
Das stimmte nicht, sie hatte überhaupt nichts vor. Sie wollte nur weg.
âWas, schon?â Er klang enttäuscht. Warum bloÃ? Myriam wurde einfach nicht schlau aus diesem Typ.
âTut mir leid.â
âAlso gut.â Jetzt begann er wieder zu grinsen. Wenn er nur nicht so unverschämt gut ausgesehen hätte! âAber bevor wir zurückreiten, machen wir noch ein kleines Wettrennenâ, schlug er vor. âMal sehen, wer zuerst dort unten an der Brücke ist. Einverstanden?â
âKlar! Auf die Plätze, fertig,
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