Myriams letzte Chance
sich das Ganze so leicht aufklären würde!â, sagte Myriam. Sie waren der Lösung des Falles sehr nah, das spürte sie deutlich.
âWie machen wir weiter?â, fragte Tom, als sie die Ranch schon fast erreicht hatten. âWenn ich zu ihr gehe und mit ihr rede, mach ich womöglich alles noch schlimmer.â
Myriam nickte. âDas seh ich genauso. Nee, ich spreche mit Ella. Wenn sie hört, dass wir alles wissen, wird sie bestimmt vernünftig.â
Ella packt aus
Puh, was für eine Villa! Myriam spähte durch das schmiedeeiserne Eingangstor auf einen langen Kiesweg, der zu einem schlossähnlichen Gebäude führte. Den Rest des Anwesens konnte man nicht sehen, denn das gesamte Grundstück war von einer hohen Mauer umgeben.
âEllas Familie ist ziemlich reichâ, hatte Tom sie vorhin noch gewarnt. Aber dieser Palast übertraf ihre Erwartungen bei Weitem. Ob sie wirklich klingeln sollte? Sie blickte auf ihre Uhr. Es war kurz vor zwölf. Hoffentlich saà die Familie um diese Zeit nicht schon beim Mittagessen.
Gleich nach dem Ausritt hatte Myriam sich auf den Weg hierher gemacht. Sie wollte die Sache so schnell wie möglich klären. Mit etwas Glück gelang es ihr vielleicht noch, Charlie zurückzubringen, bevor Sue und April wieder zur Polizei gingen. April hatte Sue nämlich überredet, bis zum Nachmittag mit der Anzeige zu warten. Eine Gnadenfrist, sozusagen. April wollte noch einmal mit ihrem Vater sprechen und ihn ein letztes Mal beknien, das Lösegeld per Eilanweisung nach Deutschland zu schicken.
âIch kann aber nicht vor drei mit ihm telefonierenâ, hatte sie Sue erklärt. âSonst ist es zu früh in den Staaten. Und wenn man Dad beim Schlafen stört, kriegt er schlechte Laune.â
Myriams Zeigefinger schwebte unentschlossen über dem Klingelknopf. Neben dem Tor war eine Ãberwachungskamera angebracht. Wahrscheinlich hatte man sie im Haus schon längst gesehen. Worauf wartete sie also noch? Sie drückte die Klingel und versuchte, möglichst zuversichtlich in Richtung Kamera zu lächeln.
âJa bitte?â Eine Frauenstimme drang aus den senkrechten Schlitzen der Gegensprechanlage. War das Ella? Der Sound war zu schlecht, um das zu erkennen.
âHier ist Myriam ⦠äh, Myriam Frey. Ist Ella da?â
Keine Antwort. Myriam trat von einem Fuà auf den anderen. In Filmen schoss in solchen Augenblicken immer ein bellender Dobermann aus dem Haus, raste auf das Tor zu und steckte seine geifernde Schnauze durch die Gitterstäbe. Dann erschien ein Dienstmädchen mit Häubchen und Schürze und zerrte ihn wieder zurück.
Aber das hier war kein Film, sondern die Wirklichkeit. Das Tor schob sich lautlos zur Seite und gab den Weg frei. Als Myriam ein paar Meter in Richtung Haus zurückgelegt hatte, schloss es sich genauso lautlos wieder.
âWas gibtâs denn?â Ella war wohl gerade erst aufgestanden. Sie begrüÃte Myriam an der Tür in Schlafanzughose und Sweatshirt.
âHallo.â Myriam schluckte. Sie hatte sich vorher ein paar Worte zurechtgelegt, mit denen sie das Gespräch beginnen wollte, aber die waren auf einmal alle weg.
Dieses Haus war einfach irre. Sie standen in einer Art Eingangshalle. Links und rechts gingen Türen ab, hinter Ella führte eine breite Marmortreppe ins nächste Stockwerk. Durch die Glasfront an der Rückseite der Halle blickte man auf einen Park. Zwischen hohen Bäumen glitzerte ein Swimmingpool.
âWow! Du wohnst ja hier in einer Wahnsinnshütteâ, meinte Myriam.
âStimmtâ, gab Ella zurück. Dann verschränkte sie die Arme vor der Brust. âAber du bist bestimmt nicht da, um mir das zu sagen.â
âNee.â
Warum bat Ella sie denn eigentlich nicht herein? Es war total unhöflich, Myriam die ganze Zeit an der Tür stehen zu lassen.
âIch wollte dich mal was fragenâ, begann Myriam schlieÃlich.
Ella zog erwartungsvoll die Augenbrauen hoch.
âNach dem Workshop auf der Sunshine Ranch letzte Woche ist ⦠etwas Schlimmes passiert. Ein Pferd ist entführt worden.â
âEin Pferd?â, fragte Ella verständnislos.
âUnd zwar Charlie. Der Wallach von April.â
So weit, so gut. Und jetzt?, fragte sich Myriam. Wie wollte sie denn nun weitermachen? Also, Charlie ist weg, und Tom und ich glauben, dass du dahintersteckst. Nee, das ging überhaupt
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