Myriams letzte Chance
nicht.
âAhaâ, sagte Ella. âDas ist ja schlimm.â
âGenau.â
âElla!â Die Männerstimme drang aus einer der halboffenen Türen in die Eingangshalle. âDauert das noch lang?â
âKomme gleich!â, gab Ella zurück. âIch weià nicht, warum du mir das erzählstâ, sagte sie dann zu Myriam. âMir ist nichts aufgefallen. Ich hab auch nichts beobachtet oder so, wenn du deshalb hier bist.â
âWirklich nicht?â, fragte Myriam. âTori und Sina haben nämlich erzählt, dass du nachts noch mal aufgestanden bist.â Eine glatte Lüge, Tori und Sina hatten geschlafen wie die Steine. Aber manchmal brachte einen ein Bluff weiter. âVielleicht hast du doch was gesehen und hast es ganz verdrängt â¦â
âIch bin nicht noch mal aufgestanden!â, entgegnete Ella empört. âIch hab tief und fest geschlafen. Also, ich frage mich langsam, was das jetzt soll!â
Das fragte sich Myriam auf einmal auch. Sie wusste nur, dass sie sich das Ganze viel einfacher vorgestellt hatte. Irgendwie hatte sie erwartet, dass Ella bei der ersten Erwähnung von Charlies Name zusammenbrechen und alles gestehen würde. Aber Ella war ja nicht blöd, natürlich gab sie nicht so schnell klein bei. Da half nur die Flucht nach vorn.
âWir wissen, dass du noch mal drauÃen warstâ, sagte sie mit fester Stimme. âDu hast beobachtet, wie sich Tom und April in der Scheune getroffen haben. Und das hat dich so wütend gemacht, dass du beschlossen hast, Charlie zu entführen. Und April zu erpressen. Um ihr heimzuzahlen, dass sie Tom verführt hat.â
Ella riss die Augen auf und starrte Myriam entgeistert an.
Das war gut, dachte Myriam zufrieden. Nun geriet Ella ganz offensichtlich in Panik.
âDa staunst du, was?â, fragte sie. âDu hättest nicht erwartet, dass wir dir so schnell auf die Schliche kommen. Aber du hast Glück. Sue und April waren noch nicht bei der Polizei. Wenn du Charlie gleich zurückbringst, kommst du vielleicht ohne gröÃere Folgen aus der Sache raus.â
âWie bitte?â, fragte Ella eisig. âSag mal, wovon redest du eigentlich? Was haben Tom und April in der Scheune gemacht?â
Dieser befremdete Blick, dieser erstaunte Ton, das alles wirkte sehr überzeugend. Entweder Ella war eine überaus begnadete Schauspielerin. Oder sie hatte wirklich nichts mit der ganzen Sache zu tun.
âNun stell dich nicht so dumm!â, sagte Myriam dennoch. âNatürlich hast du beobachtet, wie Tom mit April rumgemacht hat. Deshalb hast du auch Schluss mit ihm gemacht.â
Jetzt wandelte sich Ellas Verständnislosigkeit in einen Ausdruck der Belustigung.
âMario!â, rief sie über ihre Schulter ins Haus. âKannst du mal kommen, bitte?â
Der junge Mann, der aus der halb geöffneten Tür in die Vorhalle trat, war nur mit einer Pyjamahose bekleidet. Sein nackter Oberkörper war braun gebrannt und muskulös. Welliges blondes Haar fiel ihm fast bis auf die Schultern.
Er lächelte Myriam an, während er neben Ella trat und seinen Arm um ihre Hüfte legte. âGuten Morgen. Was gibtâs?â
âMyriam ist überzeugt, dass ich Sonntagnacht ein Pferd geklaut habeâ, sagte Ella.
Mario zog in gespieltem Entsetzen die Augenbrauen zusammen. âUnd? Hast du?â, erkundigte er sich. Er war ein ganzes Stück älter als Ella, siebzehn oder achtzehn, schätzte Myriam.
âSie glaubt, dass ich das getan habe, weil Tom mir das Herz gebrochen hatâ, fuhr Ella fort.
Mario lachte. âVielleicht hat er das ja. Und du hast es die ganze Zeit vor mir versteckt.â
Er küsste Ella zärtlich auf den Nacken.
Zum ersten Mal, seit sie die Tür geöffnet hatte, lächelte Ella.
âSag Myriam doch mal, wie lange wir schon zusammen sindâ, forderte sie Mario auf.
Marios Lächeln wurde noch breiter. Gleich würden seine Mundwinkel seine Ohrläppchen erreichen, dachte Myriam.
âEs sind auf den Tag genau vier Wochen, dass ich die bezaubernde Ella auf einer Party kennengelernt habeâ, erklärte er. âEs war Liebe auf den ersten Blick, zumindest bei mir. Aber bis ich Ella so weit hatte, dass sie mich erhört hat, sind zwei Wochen vergangen.â
âSeitdem sind wir ein Herz und eine Seeleâ, ergänzte Ella. âIch hab mit Tom Schluss gemacht, weil ich
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