Myriams letzte Chance
Kundenstamm verloren, wenn wir Sarah wieder eingestellt hätten.â Noch ein Seufzer. âIch hab kurz darauf gehört, dass Sarah aus Schleswig-Holstein weggezogen ist. Tja, jetzt lebt sie also in Düsseldorf.â
âNee, eben nichtâ, sagte Myriam. âAuf dem Workshop hat sie uns erzählt, dass sie auf einer Ranch in Hamburg arbeitet.â
âNa, wie auch immer.â Die Frau räusperte sich. âDas ist auf jeden Fall alles, was ich dir über Sarah erzählen kann. Wenn du mit ihr sprichst ⦠grüà sie herzlich von mir. Es tut mir leid, dass ich ihr damals nicht helfen konnte, ehrlich. Und ich hoffe, dass sie wieder Boden unter den FüÃen gefunden hat. Jeder Mensch verdient eine zweite Chance.â
âDankeâ, sagte Myriam. âWerd ich ihr ausrichten, wenn ich sie wiedersehe.â
âViel Glück bei der Suche.â
âDankeâ, murmelte Myriam noch einmal. Dann legte sie auf.
âMargherita oder Salami?â, fragte ihre Mutter, die zwei Pizzaschachteln in den Händen hielt, als wollte sie damit jonglieren.
Myriam starrte sie an. Margherita oder Salami â als ob das irgendeine Rolle spielte! Was hatte Sarah mit Charlies Entführung zu tun, das war doch hier die Frage! Ihre Gedanken überschlugen sich.
âDeine Mutter wartet auf eine Antwort, Myriamâ, drängte ihr Vater. âWo bist du nur mit deinen Gedanken?â
âSalami.â Warum konnten ihre Eltern sie nicht einfach in Ruhe lassen? Sarahs Tablettensucht, der Unfall auf der Reiterfreizeit und ihr Absturz danach. Und jetzt Charlies Entführung. Hatte das eine mit dem anderen zu tun oder war das alles ein Zufall?
Seit Sarah ihre eigene Karriere zerstört hatte, war sie nicht mehr richtig auf die FüÃe gekommen. Und als sie bei dem Workshop erfahren hatte, was für ein kostbares Pferd April hatte, hatte sie spontan beschlossen, ihre Chance zu nutzen. Die Umstände waren günstig gewesen. Sarah wusste natürlich, dass der Stall niemals abgeschlossen wurde. Sie hatte Charlie nachts einfach herausgeführt und bis zum Morgen irgendwo versteckt. Vermutlich war sie danach sogar noch ins Büro eingebrochen und hatte ihre eigenen Bewerbungsunterlagen verschwinden lassen. Sodass es nun keine Möglichkeit gab, sie aufzuspüren.
Ich muss unbedingt mit den anderen sprechen, dachte Myriam.
Sie suchte verzweifelt nach einer Entschuldigung, um vom Tisch aufzustehen. Da klingelte das Telefon. Ihre Mutter nahm den Anruf entgegen.
âFür dichâ, sagte sie missbilligend, als ob Myriam daran schuld wäre, dass jemand sie beim Essen störte.
âHiâ, sagte eine vertraute Stimme. âStör ich?â
âApril!â Myriam erhob sich.
âKannst du nicht zurückrufen, wenn wir mit dem Essen fertig sind?â, fragte ihre Mutter.
âIch hab keinen Hunger mehr.â Während ihre Mutter noch protestierte, verlieà Myriam das Esszimmer, das Telefon am Ohr.
âStell dir vorâ, sagte April aufgeregt. âMein Dad hat nachgegeben! Er hat mir das Geld heute Nachmittag per Expressanweisung geschickt. Ich war gerade auf der Post und habe es abgeholt. Ich bin so froh!â
âVielleicht brauchst du das Lösegeld gar nicht mehrâ, sagte Myriam schnell. âIch glaube, ich weià jetzt, wer Charlie entführt hat.â
âWas? War es Ella?â
âNein, das war eine Sackgasse. Ich glaube, es war Sarah.â
Schweigen am anderen Ende der Leitung.
âBist du noch dran?â
â What? Oh yes, sure . Wie kommst du denn auf Sarah?â
Myriam erzählte ihr von ihrem Telefongespräch mit der Ranchbesitzerin aus Brunsbüttel. âSarah kriegt als Trainerin keinen Job mehr. Sie braucht dringend Geld. Und die Gelegenheit war günstig â¦â
âIch weià nicht. Meinst du wirklich? Sarah wirkte so nett.â
âSie ist wahrscheinlich auch nett. Aber verzweifelt.â
âHmâ, machte April nachdenklich.
âSie war es, ganz bestimmt! Da passt doch eins zum anderen. Du darfst das Lösegeld auf keinen Fall zahlen. Warst du denn heute bei der Polizei?â
âNein. Ich werde die Entführung nicht melden. Selbst wenn es Sarah war â wir können überhaupt nichts beweisen. Und wir haben keine Ahnung, wo sie steckt und wo sie Charlie hingebracht hat. Wenn sie so verzweifelt ist, wie du sagst, bringt sie ihn am Ende
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