Myron Bolitar 03 - Der Insider
abhakte.
»Glaubst du, ich rufe zu den teuren Überseegebühren aus dem Wiener Hilton an, nur um über unsere Urlaubserlebnisse zu plaudern?«
»Wohl kaum.«
»Weißt du, was es kostet, von einem Hotel in Wien aus anzurufen? Bei den ganzen Aufschlägen und Steuern, die noch dazukommen?«
»Wird wohl 'ne ganze Menge sein.«
»Ich habe die Gebühren hier vor mir. Ich kann's dir ganz genau sagen. Moment. AI, wo habe ich diese Gebührenübersicht hingelegt?«
»Mom, das ist doch jetzt nicht wichtig.«
»Eben hatte ich sie noch. AI?«
»Das kannst du mir ja erzählen, wenn ihr wieder hier seid«, schlug Myron vor. »Dann hab ich was, worauf ich mich freuen kann.«
»Deine Witzchen kannst du dir für deine Freunde aufsparen, ja? Du weißt doch ganz genau, warum ich anrufe.«
»Weiß ich nicht, Mom.«
»Na gut, dann werd ich's dir sagen. Zwei Leute in unserer Reisegruppe - die Smeltmans, ein sehr nettes Paar. Er ist Juwelier. Marvin, glaube ich. Sie haben einen Laden in Montclair. Früher, als du noch klein warst, sind wir da immer dran vorbeigefahren. An der Bloomfield Avenue, in der Nähe von dem Kino. Erinnerst du dich?«
»Mhm.« Er hatte keine Ahnung, wovon sie sprach, aber so war es einfacher.
»Die Smeltmans haben also gestern Abend mit ihrem Sohn telefoniert. Er hat sie angerufen, Myron. Er hatte sich ihre Reiseroute notiert und wusste, wo er sie erreichen kann. Und dann hat er einfach mal seine Eltern angerufen, um sich zu vergewissern, dass es ihnen gut geht, so einer ist das.«
»Mhm.« Mom musste erst einmal Dampf ablassen. Man konnte sie nicht aufhalten. Sie konnte sich in einer Sekunde auf die nächste von der modernen, intelligenten Frau, als die er sie kannte, in eine Gestalt aus einer Amateur-Aufführung von Anatevka verwandeln. Jetzt war Golda gerade auf dem Weg zu Yenta.-
»Die Smeltmans haben jedenfalls ständig herumerzählt, dass sie mit den Eltern von Myron Bolitar in einer Reisegruppe sind. Toll, was? Wer kennt dich denn schon noch? Ist schließlich Jahre her, dass du zum letzten Mal gespielt hast. Aber die Smeltmans sind große Basketballfans. Man steckt ja nicht drin. Ihr Sohn hat dich früher öfter spielen sehen, oder so, ich weiß es nicht. Jedenfalls der Sohn - ich glaube er heißt Herb oder Herbie oder Ralph oder so was -, er hat ihnen also erzählt, dass du Basketballprofi bist. Die Dragons hätten dich unter Vertrag genommen. Er sagt, du hättest ein Comeback gemacht, oder was weiß denn ich? Deinem Vater ist das unglaublich peinlich. Ich meine, völlig fremde Leute reden darüber, und deine eigenen Eltern wissen nichts davon. Wir haben die Smeltmans schon fast für verrückt erklärt.«
»Es ist nicht so, wie du denkst«, sagte Myron.
»Was ist nicht so, wie ich denke?«, entgegnete sie. »Du machst manchmal ein paar Würfe in der Garageneinfahrt. Das weiß ich, und das ist ja auch keine große Sache. Aber ich versteh das nicht. Du hast nie erwähnt, dass du wieder spielen willst.«
»Tu ich ja auch nicht.«
»Lüg mich nicht an. Du hast gestern Abend zwei Punkte gemacht. Dein Vater hat Sports Phorie angerufen. Weißt du, wie teuer es ist, von hier aus Sports Phorie anzurufen?«
»Mom, es ist keine große Sache.«
»Hör zu, Myron, du kennst deinen Vater. Der Mann tut so, als würde das nichts bedeuten. Er liebt dich, egal was passiert, das weißt du. Aber seit er das gehört hat, grient er übers ganze Gesicht. Er wollte sofort nach Hause fliegen.«
»Bitte tut das nicht.«
»Nicht?«, wiederholte sie verärgert. »Das kannst du ihm ja erzählen, Myron. Der Mann ist gaga, das weißt du. Ein Verrückter. Also erzähl mir, was los ist.«
»Das ist eine lange Geschichte, Mom.«
»Aber es stimmt? Du spielst wieder?«
»Nur vorübergehend.«
»Was heißt nur vorübergehend ?«
Jessicas Telefon meldete, dass ein zweiter Anruf in der Leitung war. »Mom, ich muss aufhören. Tut mir leid, dass ich's dir nicht früher gesagt habe.«
»Was? Das ist alles?«
»Ich erzähl euch später mehr.«
Überraschenderweise ließ sie von ihm ab. »Pass mit deinem Knie auf.«
»Mach ich.«
Er wechselte zum anderen Gespräch. Es war Esperanza. Sie verlor keine Zeit mit Begrüßungen.
»Es ist nicht Gregs Blut«, sagte sie.
»Was?«
»Das Blut, das du im Keller gefunden hast«, sagte sie. »Es ist AB positiv. Gregs Blutgruppe ist Null negativ.«
Damit hatte Myron nicht gerechnet. Er überlegte, was das bedeuten könnte. »Vielleicht hatte Clip recht. Vielleicht war es von
Weitere Kostenlose Bücher