Myron Bolitar 03 - Der Insider
Sie abstreiten, ein Flittchen zu sein, als ich Sie das gefragt habe. Warum?«
»Da sollten Sie nicht zu viel hineininterpretieren«, sagte Klopfer. »Flittchen ist ein negativ besetzter Begriff. Schon allein aus diesem Grund musste ich mich verteidigen.«
Win breitete die Hände aus. »Aber woher kommt dieser negative Touch? Wenn ein Flittchen per definitionem ein sogenanntes leichtes Mädchen ist, eine Frau, die herumvögelt, warum soll man den Begriff nicht mit beiden Beinen umschließen? Wozu diese Abgrenzungen? Wozu diese künstlich gezogenen Grenzen? Sie setzen Ihre Zugehörigkeit zur Mannschaft ein, um Ihre Unabhängigkeit zu proklamieren. Dabei zeigt das in Wahrheit das Gegenteil. Es zeigt, wie unsicher Sie sind.«
»Und deshalb bin ich also scheinheilig?«
»Natürlich. Denken Sie nur an meine Frage, ob Sie mit mir schlafen wollten. Entweder handelt es sich dabei um einen rein körperlichen Akt, in welchem Fall mein brüskes Benehmen keinen Einfluss auf Ihre Entscheidung haben sollte, oder es steckt noch mehr dahinter. Was stimmt denn nun?«
Sie lächelte und schüttelte kurz den Kopf. »Sie sind ein interessanter Mann, Mr Lockwood. Vielleicht werde ich doch noch mit Ihnen schlafen.«
»Zwecklos«, sagte er.
»Was?«
»Sie würden es nur tun, um zu beweisen, dass ich im Unrecht bin. Das ist ebenso jämmerlich und unsicher wie das, was Sie jetzt gerade tun, meine Liebe. Aber wir kommen vom Thema ab. Das ist meine Schuld, und ich bitte um Verzeihung. Wollen Sie mir von Ihrem Telefonat mit Greg Downing erzählen, oder soll ich Ihren Ruf ruinieren?«
Sie schien benommen zu sein. Genau das hatte er erreichen wollen.
»Natürlich gibt es da noch eine dritte Möglichkeit«, fuhr Win fort, »die mit der zweiten einhergeht. Denn neben Ihrem ruinierten Ruf würden Sie sich wohl auch noch mit einer Mordanklage konfrontiert sehen.«
Sie riss die Augen auf. »Was?«
»Greg Downing wird des Mordes verdächtigt. Falls herauskommen sollte, dass Sie in irgendeiner Weise daran beteiligt waren, haben Sie sich der Beihilfe schuldig gemacht.« Er hielt inne und runzelte die Stirn. »Wenn ich ehrlich bin, glaube ich allerdings nicht, dass der Staatsanwalt genug für eine Verurteilung in der Hand hätte. Egal. Ich fange erst einmal mit Ihrem Ruf an. Dann sehen wir weiter.«
Klopfer sah ihn unverwandt an. »Mr Lockwood?«
»Ja.«
»Ficken Sie sich ins Knie«, sagte sie.
Win erhob sich. »Das ist zwar etwas kompliziert und einsam, der gegenwärtigen Gesellschaft aber zweifelsohne vorzuziehen.« Er lächelte und verbeugte sich. Hätte er einen Hut getragen, er hätte ihn gelüpft. »Einen schönen Tag wünsche ich noch«.
Er entfernte sich hocherhobenen Hauptes. Natürlich hatte dieser Wahnsinn Methode. Sie würde nichts verraten. Das hatte er fast sofort gemerkt. Sie war ebenso klug wie loyal. Eine gefährliche, nichtsdestoweniger bewundernswerte Kombination. Aber seine Worte würden sie aufschrecken. Selbst die Besten gerieten in solchen Situationen in Panik oder wurden zumindest aus der Deckung aufgeschreckt. Er würde draußen warten und ihr folgen.
Er warf einen Blick auf die Anzeigetafel. Sie waren in der Mitte des zweiten Viertels. Der weitere Verlauf des Spiels interessierte ihn nicht. Als er aber am Ausgang stand, ertönte ein Summen im Lautsprecher, dann erfolgte die Ansage: »Für Troy Erickson auf dem Feld: Myron Bolitar.«
Win zögerte kurz. Dann ging er weiter in Richtung Ausgang. Er wollte nicht hinsehen, blieb dann aber doch stehen und drehte sich um.
26
Myron saß ganz außen auf der Reservebank. Er wusste, dass er nicht spielen würde, aber das Stahlkorsett des Lampenfiebers schnürte ihm immer noch die Brust zusammen. In jungen Jahren hatte Myron den Druck der großen Wettbewerbe genossen, selbst wenn die Schmetterlinge im Bauch so flatterten, dass er fast gelähmt war. Das verging sofort nach der ersten Berührung. Wenn er Kontakt zum Gegner hatte, einem freien Ball nachjagte oder zum Sprungwurf hochstieg, verschwanden die Schmetterlinge, und die Anfeuerungsrufe und Beschimpfungen aus dem Publikum verblassten wie Hintergrundmusik im Büro.
Lampenfieber vor einem Spiel hatte es in Myrons Leben seit über zehn Jahren nicht mehr gegeben, und jetzt bekam er die Bestätigung für etwas, das er immer vermutet hatte: Dieses nervenzerreißende Hochgefühl stand in direkter Verbindung zum Basketball. Und zu nichts anderem. Weder beruflich noch im Privatleben hatte er je etwas Ähnliches verspürt. Es
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