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Myron Bolitar 03 - Der Insider

Myron Bolitar 03 - Der Insider

Titel: Myron Bolitar 03 - Der Insider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harlan Coben
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hatten sich halten können. Meist sah man auf den ersten Blick, welche Häuser ihnen gehörten, weil sie - obwohl die Kinder schon groß waren - Anbauten und hübsche Veranden errichtet hatten und ihren Rasen pflegten. Die Brauns und die Goldsteins gehörten dazu. Und natürlich AI und Ellen Bolitar.
    Myron lenkte seinen Ford Taurus in die Einfahrt. Sein Licht glitt über den Vorgarten wie Suchscheinwerfer beim Hofgang im Gefängnis. Er parkte auf dem asphaltierten Stück neben dem Basketballkorb. Er machte den Motor aus. Einen Moment lang starrte er unverwandt den Korb an. Vor seinem Auge erschien das Bild seines Vaters, der ihn hochhob, so dass er den Korb erreichen konnte. Er wusste nicht, ob das Bild seiner Erinnerung oder seiner Fantasie entsprang. Es war auch egal.
    Als er zum Haus ging, schaltete ein Bewegungsmelder die Außenbeleuchtung ein. Obwohl die Detektoren erst vor drei Jahren eingebaut worden waren, gaben sie seinen Eltern, die diese Technologie der Entdeckung des Feuers für ebenbürtig hielten, nach wie vor Anlass zu uneingeschränkter Bewunderung. Als die Bewegungsmelder neu installiert worden waren, hatten Mom und Dad glückselige Stunden damit verbracht, ungläubig den Mechanismus zu testen und auszuprobieren, ob sie sich unter dem Sensor hindurchducken oder so langsam gehen konnten, dass der Detektor sie nicht wahrnahm. Manchmal sind die einfachen Freuden im Leben die schönsten.
    Seine Eltern saßen in der Küche. Bei seinem Eintreten täuschten sie hastig vor, beschäftigt zu sein.
    »Hallo«, sagte er.
    Sie sahen ihn mit schräg gelegten Köpfen und zu besorgtem Blick an. »Hallo, Schatz«, sagte Mom.
     »Hallo, Myron«, sagte Dad.
    »Ihr seid früher aus Europa zurückgekommen«, sagte Myron.
    Beide nickten, als hätte er sie bei einem Verbrechen ertappt. Mom sagte: »Wir wollten dich spielen sehen.« Sie sagte es so behutsam, als überquerte sie dünnes Eis mit einem Flammenwerfer in der Hand.
    »Und, wie war die Reise?«, fragte Myron.
    »Wunderbar«, sagte Dad.
    »Herrlich«, ergänzte Mom. »Das Essen war einfach toll.«
    »Aber die Portionen waren sehr klein«, sagte Dad.
    »Was soll das heißen, die Portionen waren klein?«, fauchte Mom.
    »Ich sag's ja nur, Ellen. Das Essen war gut, aber die Portionen waren halt klein.«
    »Wie, hast du das nachgewogen oder was? Was soll das heißen, klein?«
    »Ich erkenne kleine Portionen, wenn ich sie vor mir habe. Und das waren kleine Portionen.«
    »Klein. Als ob er größere Portionen brauchte. Der Mann frisst wie ein Pferd. Dir würde es auch nicht schaden, wenn du zehn Pfund weniger auf den Rippen hättest, AI.«
    »Ich? Ich werd nicht dick.«
    »Nicht? Deine Hosen sind bald so eng, dass du in einem Tanzfilm mitspielen könntest.«
    Dad blinzelte ihr zu. »Unterwegs konntest du sie mir problemlos ausziehen.«
    »AI!«, kreischte sie, aber nicht ohne ein Lächeln. »Vor deinem eigenen Kind! Was ist los mit dir?«
    Dad sah Myron an und breitete die Arme aus. »Wir waren in Venedig«, erklärte er. »Und in Rom.«
    »Danke, das reicht schon«, sagte Myron. »Bitte keine Details.«
     Sie lachten. Als das Gelächter abgeebbt war, fragte seine Mutter leise: »Alles okay, Schatz?«
    »Mir geht's gut«, sagte er.
    »Wirklich?«
    »Wirklich.«
    »Ich finde, du hast ein paar nette Dinger gebracht da draußen«, sagte Dad. »Du hast TC ein paar gute Pässe oben an der Zone zugespielt. Echt schöne Pässe. Clever gemacht.«
    Auf Dad war Verlass. Er fand immer etwas Gutes. »Ich hab mir wohl ein bisschen viel zugemutet«, sagte Myron.
    Dad schüttelte energisch den Kopf und sagte: »Glaubst du, das sag ich nur dir zuliebe?«
    »Ich weiß, dass du das nur mir zuliebe sagst.«
    »Darauf kommt es doch gar nicht an«, sagte Dad. »Ist noch nie drauf angekommen. Das weißt du auch.«
    Myron nickte. Er wusste Bescheid. Er hatte sein Leben lang überehrgeizige Väter gesehen, Männer, die durch ihren Nachwuchs leere Träume auszuleben versuchten und ihre Söhne zwangen, eine Bürde zu tragen, die sie selbst nie hatten schultern können. Sein Vater gehörte nicht dazu. Hatte er auch nie. AI Bolitar hatte es nie nötig gehabt, seinem Sohn grandiose Geschichten über seine sportliche Vergangenheit aufzutischen. Er drängte ihn zu nichts und hatte die bewundernswerte Fähigkeit, fast gleichgültig zu wirken, während er gleichzeitig zu erkennen gab, dass er intensiv Anteil nahm. Ja, das war ein Widerspruch - eine Art distanzierter Anhänglichkeit -, aber Dad nahm

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