MYSTERIA - Das Tor des Feuers (German Edition)
keinerlei Zusammenhang zwischen den einzelnen Erlebnissen zu geben. Wenn er sie jedoch genauer betrachtete, konnte er deutlich erkennen, dass sie wie die Zahnräder eines unsichtbaren Uhrwerks ineinandergriffen und ihn auf diese Weise schließlich nach Mysteria geführt hatten.
Purer Zufall - oder steckte tatsächlich ein höherer Plan dahinter? Den, unbemerkt von ihm, irgendjemand ersonnen und verfolgt hatte?
Vielleicht sogar - diese Unsichtbaren?
»Ich verstehe, dass du verwirrt sein musst«, meldete Maruna sich wieder zu Wort. »Mir an deiner Stelle würde es vermutlich genauso ergehen.« Damit erhob sie sich, ging um den Tisch herum und legte Niko die Hand auf die Schulter. »Denke in Ruhe über alles nach und versuche, deine Gedanken zu ordnen. Aber eines darfst du nicht vergessen, mein Junge. Niemand von uns kann sich den Aufgaben entziehen, die uns das Leben stellt, auch wenn sie uns noch so schwierig erscheinen mögen. Wer aber zu lange zaudert oder sich ihnen gar verweigert, läuft in sein eigenes Unglück.«
Mit diesen Worten wollte Maruna die Hütte schon verlassen, als ihre Tochter ihr in den Weg trat. »Niko hat uns erzählt, dass die Kette, die er beim Kampf mit dem Schergen verloren hat, den gleichen Anhänger trägt wie meine.« Damit deutete sie auf das golden glänzende Schmuckstück an ihrem Hals.
Maruna erbleichte sichtlich. Mit erstarrter Miene wandte sie sich an Niko und fragte: »Ist das wahr?«
»Absolut.« Niko nickte. »Nur das Zeichen auf meinem Anhänger war etwas anders. Mein Anhänger trägt das Zeichen … äh...« Fieberhaft versuchte er sich an die Bezeichnung zu erinnern, die Ayani gebraucht hatte. Glücklicherweise fiel sie ihm gleich darauf ein. »Er trägt das Zeichen unerschrockenen Mutes und nicht des grenzenlosen Vertrauens wie bei Ayani.«
»Bei den Unsichtbaren«, flüsterte Maruna kaum hörbar. Sie wurde noch blasser und ihre Augen weiteten sich. Ihr Blick sprang zwischen ihrer Tochter und dem Gast hin und her.
Was hat sie nur?, wunderte sich Niko, als Ayani erneut das Wort ergriff. »Was hat das zu bedeuten, Mutter?«, fragte sie. »Willst du mir nicht endlich erzählen, wie ich zu dieser Kette gekommen bin?«
Maruna schloss die Augen. Ihr Atem ging schwer, und in ihrem Gesicht arbeitete es, als würde sie einen inneren Kampf mit sich ausfechten. Schließlich nickte sie, als habe sie einen Entschluss gefasst. »Gut, Ayani«, sagte sie. »Aber zuvor lass mich erst meinem Tagewerk nachgehen. Und ich bitte euch das Gleiche zu tun.«
»Natürlich, Mutter«, murmelte Ayani, während ihr Bruder wortlos nickte.
»Nach dem abendlichen Mahl und dem Runen-Unterricht werde ich dir erzählen, was sich in jener Nacht zugetragen hat, als du in mein Leben getreten bist.« Maruna machte einen fast hilflos wirkenden Schritt auf das Mädchen zu. »Einverstanden, Ayani?«
»Natürlich, Mutter.« Ayanis Worte waren kaum lauter als ein Windhauch.
»Und was ist mit mir?«, meldete sich Arawynn zu Wort. »Ich gehöre doch auch zur Familie und würde das auch gerne erfahren.«
»Das verstehe ich, mein Junge.« Mit einem warmen Lächeln blickte Maruna ihren Sohn an. »Trotzdem möchte ich zuerst mit deiner Schwester unter vier Augen reden. Und danach soll Ayani selbst entscheiden, was du erfahren sollst und was nicht.«
A uf dem Rückweg vom Nebelmoor wollte Jessie das belauschte Gespräch einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen. Zumal ihr Maik und Henk auch noch einen Heidenschreck eingejagt hatten: Henk überlegte nämlich laut, ob sie sich nicht in der Jagdhütte einquartieren sollten. Maiks Hinweis jedoch, dass sie, Jessie, dort häufig mal vorbeikommen würde, brachte ihn schnell wieder von dieser Idee ab. Ihr jetziges Quartier sei ohnehin besser, behauptete er dann noch wie zur Entschuldigung.
Je länger Jessie über Henks Worte nachdachte, umso mehr wurde es ihr zur Gewissheit: Wenn die Schatzkarte seines toten Zellenkumpels tatsächlich aus dem geheimnisvollen Buch stammte, das Niko in Herrn Schreibers Antiquariat bekommen hatte, konnte durchaus ein Zusammenhang zwischen Nikos Verschwinden und dem Buch bestehen. Oder mit dem Schatz, dessen Geheimnis es angeblich offenbarte. Denn Nikos merkwürdige Erlebnisse hatten eigentlich ja erst begonnen, nachdem Herr Schreiber ihm die alte Schwarte förmlich aufgedrängt hatte.
Aber vielleicht - der plötzliche Einfall ließ Jessies Atem stocken - hatten auch Henk und
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