MYSTERIA - Das Tor des Feuers (German Edition)
hin und her wälzte. Als ihm endlich die Augen zufielen - die Dämonenstunde, wie die Alwen die Stunde nach Mitternacht nannten, musste längst vorbei sein -, wurde er von einem entsetzlichen Albtraum heimgesucht: Er stand ganz alleine in einer schaurigen Höhle, die von rußenden Fackeln und einem lodernden Feuer erhellt wurde, und war auf der Suche nach einem Gegenstand, bei dem er selbst nicht genau wusste, worum es sich handelte. Diese Ungewissheit machte ihn fast rasend - und dann ertönte plötzlich ein gefährliches Zischen aus einer schummrigen Nische. Im nächsten Augenblick schon reckte sich das Haupt einer Schlange aus dem Dunkel empor. Sie öffnete das Maul, sodass Niko nicht nur die gespaltene Zunge sehen konnte, die zischelnd daraus hervorschoss, sondern auch die riesigen nadelspitzen Zähne an ihrem Oberkiefer. Noch im gleichen Moment wurde ihm mit absoluter Klarheit bewusst, dass diese Zähne ein tödliches Gift enthielten. Zu keiner Bewegung mehr fähig, verharrte Niko wie angewurzelt an Ort und Stelle, während das Tier sich rasch auf ihn zuschlängelte. Dabei wurde es größer und immer größer, bis es schließlich wie ein riesenhafter Monsterpython vor ihm aufragte. Die rotgelben Reptilienaugen starr auf ihn gerichtet, schnellte sein Kopf, der die Größe einer Riesendogge angenommen hatte, auf ihn zu …
... und da endlich wachte Niko auf und fuhr schweißgebadet vom Lager hoch. Seine Kehle war wie zugeschnürt und er bekam kaum noch Luft. Röchelnd rang er um Atem und hatte plötzlich das Gefühl, er müsse in der Schwüle der Hütte ersticken. Sorgsam darauf bedacht, Maruna, Ayani und Arawynn nicht aus dem Schlaf zu wecken, erhob er sich, ergriff sein neues seltsames Gewand und trat vor die Hütte.
Die Nachtluft war angenehm frisch. Niko sog sie tief in seine Lungen und merkte, dass sich sein heftig klopfendes Herz langsam beruhigte. Der Wind strich sanft durch seine pechschwarzen Haare und kühlte seine Stirn. Über dem kleinen Dorf lag friedliche Stille. Gelegentlich tönte leises Schnarchen aus einer der Hütten. Und hin und wieder klang das zufriedene Grunzen eines Schweins durch die Stille der Nacht.
Der wolkenlose Himmel, der sich wie eine riesige schwarze Kuppel über das Land spannte, war von Myriaden von Sternen übersät. Direkt über dem Dorf stand die schmale Sichel des zunehmenden Mondes. Sie war feuerrot, als stünde sie in Flammen.
Niko legte den Kopf in den Nacken, um einen besseren Blick darauf werfen zu können, als mit einem Mal ein Rauschen wie von mächtigen Flügeln erklang, das aus den Regionen weit oberhalb der Gestirne zu kommen schien, sich aber rasch näherte. Lange bevor Niko den Vogel sehen konnte, wusste er, wer auf ihn zukam: Es war der Falke, der am Vormittag am Himmel über dem Nebeltor gekreist war.
Wie ein stolzer Bote aus einer anderen Welt löste er sich aus dem Dunkel der Nacht und segelte fast ohne Laut heran. Dann setzte er sich auf den Dachfirst von Marunas Hütte und richtete die gelb umrandeten Augen ernst und eindringlich auf den Jungen, der vor dem Eingang der Hütte stand und ihn wie gebannt anstarrte.
Als ihre Blicke sich trafen, fühlte Niko urplötzlich eine seltsame Verbundenheit mit dem Tier. Ihm war, als würden sie sich schon ein Leben lang kennen. Ein Strom prickelnder Wärme lief durch seinen Körper, und er verstand auch ohne Worte, was der Falke ihm sagen wollte: Folge mir, Niko, und zaudere nicht länger! Sonst wirst du zu spät kommen und das Tor des Feuers niemals finden. Damit breitete der Vogel die mächtigen Schwingen aus, erhob sich fast lautlos in die Luft und segelte davon.
Niko kam der Aufforderung ohne Zögern nach. Auch wenn er den Falken rasch aus dem Blick verlor, wusste er, wohin er zu gehen hatte.
Z iemlich genervt und hundemüde schlug Jessie die alte Schwarte zu. Schon seit einer gefühlten Ewigkeit quälte sie sich mit dem Buch ab und wurde trotzdem nicht so richtig schlau daraus. Es war bestimmt schon lange nach Mitternacht. Draußen vor ihrem Zimmerfenster gähnte die rabenschwarze Nacht. Nur der kleine Lichtschimmer, der aus einem Fenster im Erdgeschoss fiel, zeigte ihr, dass ihr Vater immer noch arbeitete.
Das ist mal wieder typisch für ihn!, ging es Jessie durch den Kopf. Er war immer noch nicht fertig mit seinem Buch, obwohl der Abgabetermin für das Manuskript unerbittlich näher rückte. Deshalb arbeitete Thomas jetzt fast rund um die Uhr und hatte
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