Mystic City 2. Tage des Verrats (German Edition)
Ziehen in der Brust, ringe nach Luft, öffne unwillkürlich den Mund. Lyrica nimmt die Hand von meinen Schultern und ich krümme mich vor Schmerzen. Dann presst sie eine Fingerspitze auf meine Stirn und ich spüre, wie die Hitze in mir hinaufkriecht, von den Zehen, über die Beine bis in meinen Oberkörper.
»Gut.« Lyrica zieht den Finger weg und lehnt sich zurück. »Du kannst die Augen aufmachen.«
Ich mustere mich von Kopf bis Fuß, aber ich kann nichts Auffälliges entdecken. Allmählich weicht auch die Hitze aus meinem Körper. Lyrica reicht mir das Medaillon. Es ist eiskalt.
»Es trägt jetzt den Sender«, erklärt sie mir. »Sei vorsichtig damit.« Als ich mir das Medaillon wieder umhänge, wird es ganz heiß. »Es ist Zeit zu gehen, Aria Rose.«
»Wie finde ich zurück?«, frage ich, weil ich mich in Queens nicht auskenne.
»Du wirst schon sehen«, antwortet Lyrica geheimnisvoll und bringt mich zur Tür. Für das Reliquiar gibt sie mir eine zerknitterte Tasche. Ich lege es vorsichtig hinein und hänge mir die Tasche über die Schulter.
»Danke für Ihre Hilfe – für alles. Sie sind so unglaublich nett zu mir.«
Lyrica lächelt gerührt. »Gern geschehen, Kindchen, gern geschehen.«
Sie stampft heftig auf den Boden auf und es gibt einen Ruck wie bei meiner Ankunft. Das Haus bewegt sich.
Ich drücke die Klinke und ziehe die Tür auf. Warme Luft strömt herein. Wir sind nicht mehr in Queens. Wir befinden uns an der Stelle, an der früher mal der Times Square war, das erkenne ich sofort, denn vor mir liegen eine schmale Straße und ein Kanal, auf dem hektisches Treiben herrscht. Ein paar Meter entfernt entdecke ich einen Anleger mit Gondolieri, die auf Fahrgäste warten. Glücklicherweise habe ich noch die Hälfte meiner Münzen.
»Auf Wiedersehen, Lyrica«, sage ich und gehe die Treppe hinunter.
»Aria?«
»Ja?« Ich drehe mich um.
»Viele der Männer in deinem Leben wollen dich ausnutzen«, sagt sie und schirmt mit der Hand das Gesicht gegen die Sonne ab. »Aber was möchtest du?«
Ehe ich antworten kann, winkt sie mir zu, schließt die Tür und verschwindet mitsamt ihrem Haus.
14
»Wo warst du?«, fragt Ryah und zerrt mich die Stufen zum Eingang hinauf.
Ich werfe einen Blick auf meinen TouchMe. Noch immer keine Antwort von Turk, dabei schicke ich ihm ständig Nachrichten und versuche ihn anzurufen. Glücklicherweise sind alle wichtigen Nummern in meiner Kontaktliste gespeichert, sodass ich Ryah per Nachricht bitten konnte, mir durch das Kraftfeld zu helfen. Sie hat sofort geantwortet.
»Als ich aufgewacht bin, warst du weg!«, beschwert sich Ryah. Sie trägt ein enges weißes T-Shirt und abgeschnittene Jeans mit ausgefranstem Saum. Ihr Haar ist so blau wie sonst, allerdings nicht stachelig hochgegelt, sondern glatt und seitlich gescheitelt. Mir gefällt das besser.
Es fühlt sich an, als wäre ein ganzer Tag vergangen, seit Hunter mir Frühstück gebracht hat. Doch es waren nur ein paar Stunden – es ist erst kurz nach zehn.
Ryah schließt die Tür hinter uns. »Shannon hat deinen Speck gegessen, ehe sie mit Hunter aufgebrochen ist.«
Shannon ist mit Hunter unterwegs?
»Nicht schlimm«, sage ich, streife mir die Schuhe von den Füßen und lasse sie im Eingangsbereich liegen. Im Haus ist es deutlich kühler als draußen. »Wo sind sie?«
»Es hat einen … Zwischenfall gegeben«, erzählt Ryah. »An der Lower East Side. Genaueres weiß ich auch nicht. Ein Lebensmittelladen wurde von Soldaten der Fosters überfallen. Es gab wohl einige Todesopfer, Hunter hat Leute hingeschickt, um die Lage zu erkunden.«
»Wie schrecklich.«
»Landon und Jarek sind auch unterwegs. Die Position einer Basis der Fosters ist durchgesickert, und sie wollen sich die Sache näher ansehen, ehe Hunter den Angriff plant.«
»Warum bist du nicht mitgegangen?«, erkundige ich mich.
»Ich habe auf dich gewartet!«, sagt sie lächelnd. »Turk ist auch da. Er duscht gerade.« Dann mustert sie mich. »An deine Glatze kann ich mich irgendwie immer noch nicht gewöhnen. Na ja, Fast-Glatze. Ein paar Stoppeln hast du ja noch.« Ryah kichert. »Jedenfalls sind Shannon und ich heute Morgen aufgewacht und haben gedacht: Verdammt, die haben Aria verschleppt! Dann haben wir das Tablett mit dem Frühstück gesehen und wussten, dass du auf jeden Fall nicht entführt worden bist, denn dann hätten wir ja Kampfspuren finden müssen. Außerdem wären wir sonst bestimmt wach geworden. Shannon hat dann gemeint, du wärst
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