Mystic City 2. Tage des Verrats (German Edition)
zustößt.«
»Ich weiß«, antworte ich. Außer Ryah ist Turk der Einzige, der sich seit meiner Rückkehr nach Manhattan um mich gekümmert hat. »Du bedeutest mir auch viel.«
»Tatsächlich?« Ein elektrischer Impuls durchfährt mich und meine Haut wird noch wärmer. »Oder bin ich dir einfach nur nützlich?«
Ich weiche zurück. »Was meinst du damit?«
»Ich bin nicht dein Laufbursche, weißt du? Ich muss nicht tun, was du von mir verlangst.«
»Ich habe nie gesagt, dass du … Ich …«
»Schon gut.« Turk reibt sich die Stirn, als hätte er Kopfschmerzen. »Themawechsel.«
»Okay.« Ich setze mich auf die Bettkante, atme tief durch und versuche, einen klaren Gedanken zu fassen, aber seine Worte gehen mir nicht aus dem Kopf. Habe ich ihn wirklich wie einen Laufburschen behandelt? Ich dachte, wir wären Freunde. Ich dachte, er würde mir helfen, weil er es will. Ich hatte nie das Gefühl, ihn herumzukommandieren. »Tut mir leid, wenn du denkst, ich wäre egoistisch.«
»Quatsch, du bist nicht egoistisch. Es ist nur … eine ziemlich krasse Zeit. Wahrscheinlich hab ich überreagiert. Ernsthaft, lass uns über was anderes reden.« Er klingt freundlich und seine hellgrünen Augen strahlen wieder. »Irgendeine Idee?«
»Na ja«, sage ich. »Eine Sache gäbe es da schon.«
»Dann raus damit.«
»Erinnerst du dich an das, was ich dir über die alte Frieda auf der Farm erzählt habe? Über die Sache mit Davidas Herz?«
Turk nickt und setzt sich neben mich.
»Vielleicht … vielleicht sollte ich versuchen, es zu finden … das Herz, meine ich.«
Turk antwortet nicht, aber er dreht sich zu mir. Unsere Nasen berühren sich fast. Er legt den Kopf schief und beugt sich weiter vor.
Er will mich küssen.
In diesem Augenblick sehe ich Hunter vor meinem inneren Auge – eine Erinnerung, nur wenige Wochen alt. Hunter und ich saßen in meinem Zimmer in der Wohnung meiner Eltern. Ich hatte gerade das Speichermedaillon verschluckt und bekam meine Erinnerungen zurück, meine Erinnerungen daran, wie ich Hunter kennengelernt hatte. Hunter hielt mich im Arm und flüsterte: Du bist zu mir zurückgekommen.
»Stopp mal!« Ich schiebe Turk zurück. »Das geht nicht.«
Er blickt mir tief in die Augen. Gerade will er etwas antworten, als ich ein Geräusch höre.
»Ähem«, räuspert sich Shannon, die mit verschränkten Armen im Türrahmen steht. Sie trägt einen schwarzen Trainingsanzug. Das feuerrote Haar hat sie zum Pferdeschwanz gebunden.
Wie viel hat sie mitbekommen?
»Ja?«, sagt Turk, springt vom Bett auf und wischt sich die Hände an der Jeans ab.
»Ich bin wieder da, wollte ich nur sagen.« Shannon funkelt mich giftig an. »Aria, Training um fünf.«
Die zweistündige Einheit mit Shannon fühlt sich eher nach einer zweitägigen Einheit an.
Der Raum im Keller ist so weitläufig, dass theoretisch mehrere Leute darin trainieren können, ohne ein Wort miteinander zu wechseln, wenn sie nicht wollen. Die hintere Hälfte ist abgeteilt; dort können Mystiker den Umgang mit ihrer Energie üben. In der anderen Hälfte, in der ich jetzt stehe, ist der Boden mit Matten ausgelegt und an die Wände sind Poster geheftet. Manche zeigen die schwarzen Umrisse einer Person, andere ähneln den Zielscheiben von Bogenschützen: verschiedenfarbige Kreise mit einem weißen Auge in der Mitte.
Shannon lässt mich Ninjasterne werfen, doch so genau ich auch ziele, ein Volltreffer gelingt mir einfach nicht. Ich frage mich immer noch die ganze Zeit, wie viel sie mitbekommen hat. Zwischen Turk und mir ist nichts passiert, aber weiß sie das auch?
Ich werfe einen Stern, der zwischen zwei Postern an der Wand landet. »Aria!«, fährt mich Shannon an. »Was ist los?«
Ist tatsächlich nichts passiert? , frage ich mich. Turk wollte mich küssen. Ich habe ihn weggeschoben. Aber versucht hat er es. Und das kann man wohl kaum als nichts bezeichnen.
»Nichts«, antworte ich. »Bei dem Überfall auf den Lebensmittelladen – ist jemandem etwas zugestoßen?«
Shannon nickt. »Das kann man wohl so sagen.«
»Wie viele Opfer hat es denn gegeben?«, will ich wissen.
»Was spielt das für eine Rolle?«, gibt sie zurück. »Konzentrier dich auf deine Aufgabe.«
»Ich wollte doch nur wissen …«
»Du brauchst gar nichts zu wissen!«, schreit mich Shannon an. »Los, wirf!« Ihre Stimme zittert, und einen Moment fürchte ich, sie könnte anfangen zu weinen. Abgesehen von Wut hat Shannon mir gegenüber noch nie Gefühl gezeigt.
Ich nehme
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