Mystic City 2. Tage des Verrats (German Edition)
Der Sender, den Lyrica auf dem Medaillon platziert hat, besteht aus mystischer Energie. Diese Energie sollte es mir doch ermöglichen, durch die Absperrung zu gelangen. Oder?
Ich blinzele und versuche, das mystische Kraftfeld zu erkennen, doch es gelingt mir nicht. Wenn ich hindurchgehe und das Medaillon nicht funktioniert, werde ich dann gegrillt?
Okay, Aria, sage ich mir. Geh einfach.
Ich nehme das Medaillon ab und halte es vor mich, hole tief Luft und mache einen Schritt. Und noch einen.
Nichts passiert.
Ich sehe das Medaillon an. Lass mich nicht im Stich!
Noch ein Schritt. Und noch einer. Dann plötzlich spüre ich einen Luftstrom und starken Druck. Es fühlt sich an, als würde ich von einer unsichtbaren Riesenhand gepackt – und mit einem leisen Knistern habe ich das Kraftfeld durchquert.
Vor mir steht das Haus. Ich habe es geschafft.
Die kühle Luft innerhalb des Kraftfelds ist angenehm. Heilfroh, wieder hier zu sein – und zwar unversehrt –, betrete ich das Haus. Nirgendwo brennt Licht. Ich schleiche auf Zehenspitzen durch den Flur und will gerade nach oben gehen, als eine Lampe angeht.
Im Wohnzimmer steht Hunter und schaut mich an. Seinen Blick kann ich nicht deuten. »Würdest du mir bitte mal erklären, was du hier treibst?«
15
Ich suche fieberhaft nach einer Ausrede, die meine nassen Klamotten erklären könnte, und sterbe fast vor schlechtem Gewissen. »Ich … ich war Schwimmen«, sage ich hastig.
Hunter sieht mich ungläubig an. »Schwimmen?«
»Genau.« Ich lege eine Hand auf das Treppengeländer. »Das gehört zu meinem Training mit Shannon.«
»Ganz sicher nicht«, erwidert Hunter ruhig. Seine blauen Augen funkeln. »Warum lügst du mich an?«
Ich möchte Hunter nicht anlügen. Ich wünsche mir eine offene, ehrliche Beziehung. Aber dafür müsste auch er erst mal offen und ehrlich sein.
»Du vertraust mir nicht«, sage ich. »Du bist genau wie mein Vater.«
Hunter zuckt zusammen. Das war ein Schlag unter die Gürtellinie, ich weiß. Mein Vater ist ein Monster, das von Gier getrieben wird und nicht von Liebe. Aber in gewisser Hinsicht stimmt der Vergleich. Mein Vater ist nur auf Macht aus und er tut alles, um sie zu erlangen. Genau wie Hunter, selbst wenn es ihm um Gerechtigkeit für sein Volk und Rache für seine Mutter geht. Er begreift einfach nicht, dass Gewalt und Krieg die Menschen ins Elend stürzen. Oder er nimmt es in Kauf, um seine Ziele zu erreichen. Auch mein Vater sieht den Schaden, den sein Streben nach Macht anrichtet, aber es interessiert ihn nicht.
Sowohl Hunter als auch mein Vater akzeptieren nur ihre eigenen Ansichten als Wahrheit.
Hunter faucht mich an: »Ich bin wie dein Vater? Wie kannst du das sagen? Nach allem, was wir durchgemacht haben! Ich liebe dich, Aria. Mehr als alles auf der Welt.«
»Nichts ist mehr so wie früher, Hunter.« Ich schüttele traurig den Kopf. »Du bist nicht mehr wie früher. Ich wünschte, es wäre anders …«
»Wie meinst du das?«, fragt Hunter.
»Wir reden kaum noch«, sage ich, »und wenn, geht es immer nur um die Revolution. Du benutzt einfach unsere Videochats als Werbung, ohne es mir mitzuteilen. Und hier werde ich gehalten wie eine Gefangene.«
Hunter starrt mich verständnislos an, als würde ich eine fremde Sprache sprechen. Er sieht verwirrt aus – und verletzt. »Mir geht es lediglich um deine Sicherheit«, sagt er. »Und wegen der Videos habe ich mich bereits entschuldigt. Der Kampf der Mystiker steht im Moment einfach an allererster Stelle. Ich dachte, du würdest das verstehen.«
Ich lasse das Geländer los. »Ich möchte aber, dass wir an allererster Stelle stehen.«
Hunter will antworten, doch ich hebe die Hand. »Ich habe mein Leben für dich aufgegeben. Alles zurückgelassen, woran ich hing … und jetzt sehen wir uns kaum. Ich könnte an deiner Seite stehen und dir helfen, aber du lässt mich nicht. Ich kenne nicht einmal die Namen der Leute, mit denen du ständig zusammen bist. Alles ist unglaublich geheim.«
Im oberen Stockwerk rührt sich etwas. Es würde mich nicht wundern, wenn wir jemanden geweckt haben, aber das ist mir gleichgültig. Hunter und ich haben uns in letzter Zeit kaum gesehen, und jetzt reden wir endlich. Dieses Gespräch ist wirklich wichtig.
»Ich muss den Kampf meiner Mutter zu Ende führen«, sagt Hunter.
Im goldenen Licht der Stehlampe sieht er fast aus wie ein Engel. Mir stockt der Atem. Ich muss an Turk denken. Egal wie gut er aussieht, er kann Hunter nicht das
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