Mystic City 2. Tage des Verrats (German Edition)
»Ich will einfach nur raus.«
»Und wohin?«, will Turk wissen und grinst schief. »Du hältst es nie lange an einem Ort aus, kann das sein?«
»Ja, schon möglich. Turk … wegen Davidas Herz …«
»Ja?«
»Ich bin gestern an dem Kanal gewesen, wo Davida erschossen wurde …«
»Du hast dich abends rausgeschlichen?«, fragt Turk geschockt.
»Nicht so laut!«, zische ich. »Ja. Das war auch der Grund, warum Hunter und ich uns gestritten haben. Na ja, eigentlich war es nur der Auslöser … Egal. Jedenfalls bin ich im Kanal getaucht, um Davida zu finden. Aber es war dunkel und ich konnte nichts sehen. Ich glaube, wenn ich tagsüber …«
»Du denkst tatsächlich, ihre Leiche liegt da unten noch irgendwo und wartet darauf, dass du endlich kommst?« Seine Stimme trieft von Sarkasmus. »Ihr Herz wird das Einzige sein, was noch von ihr übrig ist, denn einem Mystikerherzen können die Elemente nichts anhaben. Aber mal abgesehen von der Tatsache, dass ihr Körper längst verwest ist, gibt es Strömungen und Gezeiten, die ihre Leiche wahrscheinlich weggeschwemmt haben«, fährt er fort. »Wenn du ihr Herz finden willst, musst du wissen, wie die Strömungen verlaufen. Die alten Seeleute kannten sich mit so was aus.«
»Soll ich mal in meinem TouchMe nachschauen?« Ich greife in meine Tasche.
»Nein. Du brauchst einen Experten. Am besten den ältesten Seemann, den du auftreiben kannst.«
»Dann sollten wir uns auf den Weg machen und ihn suchen.« Ich springe vom Tisch auf, doch Turk hält mich am Arm fest. »Wie stellst du dir das vor? Meinst du, wir flanieren einmal am Kanal auf und ab und an jeder Ecke winkt uns ein alter Seemann?«, fragt Turk. »Das ist doch albern.«
»Warum denn nicht? Es gibt Hunderte Gondolieri in der Tiefe. Zumindest einer muss sich doch mit den Strömungen auskennen.«
Ich reiße mich los, gehe zur Tür und drehe mich zu Turk um. »Kommst du jetzt mit oder nicht?«
Turk rührt sich nicht vom Fleck.
»Okay«, sage ich wütend. »Wie du meinst.« Ich öffne die Haustür und will hinaustreten, doch kaum mache ich den ersten Schritt, stehe ich wieder im Esszimmer, wo Turk sitzt.
»Findest du das witzig?«, fauche ich ihn an. »Was ist hier los?«
Turk zuckt mit den Schultern. »Ich habe damit nichts zu tun. Das war Hunter.«
»Er hat die Ausgänge manipuliert?«
Turk nickt.
Ich stürme ins Wohnzimmer, reiße die Gardinen vorm Fenster zurück und drücke auf das Touchpad an der Wand. Die Fenster gleiten zur Seite und heiße Luft strömt herein. Ich steige in den Fensterrahmen, schiebe mein rechtes Bein nach draußen und sehe, wie es verschwindet. Aber wohin?
Verflixter Scheißkerl!, denke ich. Ich ziehe das Bein zurück und stecke den Kopf nach draußen.
»Aria, nicht!«, ruft Turk, aber es ist zu spät.
Luft umströmt mich und ich erkenne den Hausflur. Auch durchs Wohnzimmerfenster komme ich also nicht nach draußen. Was hat Hunter gemacht?
Ich ziehe den Kopf zurück und bin wieder im Wohnzimmer. »Das ist echt krank«, beschwere ich mich bei Turk. »Was soll denn das?«
»Als er heute Morgen zurückgekommen ist, hat er alle Türen und Fenster durch Schleifen miteinander verbunden«, erklärt Turk. »Jeder Ausgang ist mit einem Eingang verbunden. Man landet immer wieder im Haus. Niemand kann raus, ehe er nicht die Schleifen entfernt hat.«
Eins muss ich Hunter lassen, clever ist er. Leider. Vermutlich ist er wieder mit seinen engsten Vertrauten unterwegs, bislang habe ich noch keinen von denen gesehen.
»Alle wissen es, und niemand hat mir etwas gesagt?«
Turk sieht mich verlegen an.
Ich drehe mich um und renne nach oben in mein Zimmer. Turk läuft mir nach.
Das Zimmer hat fünf Fenster, drei an der Wand neben meinem Bett und zwei an der Wand zur Straße.
Ich gehe zum ersten Fenster und drücke auf das Touchpad. Als ich den Kopf hinausstecke, sehe ich in die Bibliothek hinein. Niemand ist dort. Auf dem Konferenztisch stehen Kaffeebecher neben irgendwelchen Unterlagen.
»Verdammt noch mal!«, schreie ich und ziehe den Kopf zurück. Ich drehe mich um. Turk steht hinter mir. »Also jeder mögliche Ausgang in allen Stockwerken führt immer nur wieder zurück ins Haus?«
»Ja«, antwortet er. »Das habe ich dir doch schon erklärt.«
»Das ist einfach nicht fair. Wie kann mir Hunter das antun? Du musst mir hier raushelfen. Bitte, Turk.«
Er weicht meinem Blick aus. »Geht nicht, Aria. Ich habe es Hunter versprochen.«
»Und was hast du mir versprochen?«, frage
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