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Mystic River

Titel: Mystic River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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Musik durch die Rester Street? Senkte sich die Nacht auf die beiden in ihrem Hippie-Auto, unterwegs nach, ja, wohin? Jimmy hätte es gerne gewusst, aber dann auch wieder nicht. Morgen würde er sie in der Schule sehen – falls sie nicht alle einen Tag freibekamen, um Daves Rückkehr zu feiern – und sie danach fragen, aber vielleicht auch nicht.
    Jimmy nahm sein Hotdog in Empfang und setzte sich zum Essen auf den Bürgersteig gegenüber von Daves Haus. Als er es zur Hälfte vertilgt hatte, wurde einer der Rollläden hochgezogen, und er sah Dave im Fenster stehen und auf ihn herunterstarren. Zum Gruß hob Jimmy das halb gegessene Hotdog, aber Dave reagierte nicht, auch nicht, als er es ein zweites Mal versuchte. Dave glotzte einfach. Er glotzte Jimmy an und obwohl Jimmy Daves Augen nicht sehen konnte, fühlte er die Leere in ihnen. Leere und Vorwurf.
    Jimmys Mutter setzte sich neben ihn an den Straßenrand und Dave trat vom Fenster weg. Jimmys Mutter war eine kleine, dünne Frau mit unglaublich hellem Haar. Obwohl sie so dünn war, bewegte sie sich, als trage sie einen Stapel Wackersteine auf dem Rücken, und seufzte häufig auf eine Weise, die Jimmy zweifeln ließ, ob seine Mutter überhaupt merkte, dass dieses Geräusch von ihr kam. Er sah sich gerne Fotos von ihr an, die aufgenommen wurden, bevor sie mit ihm schwanger wurde, und auf denen sah sie gar nicht so dünn und viel jünger aus, wie ein junges Mädchen (was sie damals ja auch war, wenn er nachrechnete). Ihr Gesicht auf den Bildern war runder, sie hatte keine Falten um die Augen oder auf der Stirn und sie lächelte so wunderbar breit, nur ein ganz klein wenig verängstigt oder vielleicht neugierig, das konnte Jimmy nie so genau sagen. Sein Vater hatte ihm schon tausendmal erzählt, dass Jimmy seine Mutter bei der Geburt fast umgebracht hätte, dass sie geblutet und geblutet hätte, bis die Ärzte Angst bekommen hätten, es würde nicht mehr aufhören. Danach wären sie am Ende gewesen, hatte sein Vater berichtet. Natürlich war Schluss mit Babys. So was wollten sie beide nicht noch mal durchmachen.
    Sie legte Jimmy die Hand aufs Knie und sagte: »Wie geht’s, G. I. Joe?« Seine Mutter hatte immer neue Spitznamen für ihn, die sie sich spontan ausdachte, aber Jimmy wusste meistens nicht, auf wen sich der Name bezog.
    Er zuckte mit den Schultern. »Alles klar.«
    »Du hast gar nicht mit Dave geredet.«
    »Du hast mich ja nicht losgelassen, Ma.«
    Seine Mutter nahm die Hand von seinem Knie und schlang die Arme um sich, weil es sich seit dem Einbruch der Dunkelheit abgekühlt hatte. »Ich meine, hinterher. Als er noch draußen war.«
    »Ich seh ihn ja morgen in der Schule.«
    Seine Mutter nestelte nach den Kents in ihrer Hosentasche, zündete sich eine Zigarette an und blies den Rauch aus. »Ich glaub nicht, dass er morgen hingeht.«
    Jimmy hatte das Hotdog vertilgt. »Na, dann halt ein andermal.«
    Seine Mutter nickte und blies wieder Rauch aus. Sie stützte den Ellenbogen in die Hand, rauchte und schaute zu Daves Fenster hoch. »Wie war’s heute in der Schule?«, fragte sie, obwohl sie die Antwort nicht sonderlich zu interessieren schien.
    Jimmy zuckte mit den Schultern. »In Ordnung.«
    »Ich habe diese Lehrerin von dir gesehen. Niedlich.«
    Jimmy sagte nichts.
    »Wirklich niedlich«, wiederholte seine Mutter in eine graue Wolke Rauch hinein.
    Jimmy schwieg noch immer. Meistens wusste er nicht, worüber er mit seinen Eltern reden sollte. Seine Mutter war immer ausgelaugt. Sie starrte in eine Ferne, die Jimmy nicht sehen konnte, und rauchte ihre Zigaretten. Oft bemerkte sie ihn erst, wenn er einen Satz mehrmals wiederholt hatte. Sein Vater hatte ständig schlechte Laune und selbst wenn es richtig lustig mit ihm war, wusste Jimmy, dass er jeden Moment zu einem schlecht gelaunten Säufer werden und seinem Sohn für eine Bemerkung, über die er eine halbe Stunde zuvor noch gelacht hatte, eine runterhauen konnte. Und Jimmy wusste, dass er, wie sehr er auch das Gegenteil zu beweisen versuchte, sowohl seinen Vater als auch seine Mutter in sich trug – das lange Schweigen der Mutter und die unvermittelten Wutausbrüche des Vaters.
    Wenn Jimmy sich nicht vorstellte, wie es wohl wäre, Miss Powells Freund zu sein, dann fragte er sich manchmal, wie es wohl wäre, ihr Sohn zu sein.
    Nun schaute seine Mutter ihn an, die Zigarette hochhaltend, die Augen klein und bohrend.
    »Was ist?«, fragte er und lächelte sie verlegen an.
    »Du hast ein tolles Lächeln, Cassius

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