Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mystic River

Titel: Mystic River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
Vom Netzwerk:
Und seine Mutter hatte sich angewöhnt, die Wäsche zum Trocknen im Haus aufzuhängen, nachdem ihr so viele Stücke von der Leine im Hof abhanden gekommen waren. Es war ein anderes Gefühl, bestohlen worden zu sein als etwas verloren zu haben. Man spürte tief im Herzen, dass man es nie zurückbekommen würde. Dieses Gefühl hatte er jetzt auch bei Dave. Vielleicht fühlte Sean in diesem Moment das Gleiche wegen seines Baseballhandschuhs, vielleicht stand er vor dem leeren Fleck auf dem Boden, wo der Baseballhandschuh gelegen hatte, und wusste entgegen jeder Logik, dass er niemals wieder auftauchen würde.
    Schade auch, denn Jimmy hatte Dave gemocht, obwohl er nicht genau sagen konnte, warum. Irgendwas hatte der Junge an sich, vielleicht dass er immer da war, auch wenn man ihn die Hälfte der Zeit nicht bemerkte.

2 VIER TAGE
    Wie sich herausstellte, irrte sich Jimmy.
    Vier Tage nach seinem Verschwinden kehrte Dave Boyle zurück. Auf dem Beifahrersitz eines Polizeiwagens. Die beiden Bullen, die ihn nach Hause brachten, erlaubten ihm, die Sirene aufheulen zu lassen und den Kolben des Gewehrs zu berühren, das unter dem Armaturenbrett aufbewahrt wurde. Sie verliehen ihm ein Ehrenabzeichen, und als sie ihn bei seiner Mutter in der Rester Street ablieferten, waren Zeitungs- und Fernsehreporter da, um den Moment im Bild festzuhalten. Einer der Bullen, ein gewisser Eugene Kubiaki, holte Dave aus dem Streifenwagen, hob ihn in die Höhe und stellte ihn vor seiner flennenden, kichernden, zitternden Mutter auf dem Bürgersteig ab.
    Eine Menschenmenge hatte sich auf der Rester Street versammelt – Eltern, Kinder, ein Postbote, die beiden feisten Brüder, denen die Imbissbude an der Ecke Rester und Sydney gehörte, und sogar Miss Powell, Dave und Jimmys Lehrerin in der fünften Klasse auf der Looey & Dooey. Jimmy stand bei seiner Mutter. Sie drückte seinen Hinterkopf an ihren Bauch und hatte ihre feuchte Hand auf seine Stirn gelegt, als wolle sie prüfen, ob er sich das Gleiche geholt habe wie Dave, und Jimmy fühlte einen Stich der Eifersucht, als Officer Kubiaki Dave über den Bürgersteig trug und so herzlich mit ihm lachte, als wären sie alte Freunde, und Miss Powell vor Freude in die Hände klatschte.
    Ich war auch fast in das Auto gestiegen, hätte Jimmy gern allen erzählt. Am liebsten wollte er es Miss Powell erzählen. Sie war so hübsch und sauber, und wenn sie lachte, konnte man sehen, dass einer ihrer oberen Vorderzähne ein bisschen schief war, weshalb Jimmy sie nur noch hübscher fand. Jimmy wollte ihr sagen, dass er auch fast ins Auto gestiegen wäre, und dann sehen, ob sie ihn genauso anblicken würde wie jetzt Dave. Er wollte ihr sagen, dass er ständig an sie dachte, dass er in seinen Träumen erwachsen war und Auto fahren konnte und dass er mit ihr irgendwohin fuhr, wo sie ihn anlächelte und sie zusammen picknickten und sie über alles, was er ihr erzählte, lachte, diesen Zahn entblößte und mit ihrer Hand sein Gesicht berührte.
    Aber Miss Powell fühlte sich hier nicht wohl. Jimmy sah das. Nachdem sie ein paar Worte mit Dave gewechselt, ihm übers Gesicht gestrichen und ihn auf die Wange geküsst hatte – sie küsste ihn zweimal! –, drängten sich andere vor und Miss Powell trat zur Seite, stand auf dem rissigen Bürgersteig und schaute zu den schiefen Mietshäusern hoch, deren Teerpappe sich aufrollte, so dass das Holz darunter zum Vorschein kam. In diesem Moment kam sie Jimmy gleichzeitig jünger und doch härter vor, als habe sie plötzlich etwas Nonnenhaftes an sich, wie sie so dastand, ihr Haar berührte, als fühle sie nach ihrer Haube, so wie ihre Stupsnase zuckte, bereit, ein abwertendes Urteil zu fällen.
    Jimmy wollte zu ihr gehen, aber seine Mutter hielt ihn fest und kümmerte sich nicht darum, dass er sich wand. Miss Powell lief zur Ecke Rester und Sydney. Jimmy beobachtete, wie sie verzweifelt jemandem zuwinkte. Ein Kerl, der wie ein Hippie aussah, hielt in einem gelben, hippie-haften Cabrio an, auf dessen sonnenverbrannte Türen verblichene violette Blüten gemalt waren, und Miss Powell stieg ein und fuhr fort. Jimmy dachte nur: Bitte nicht.
    Schließlich konnte er sich aus den Klauen seiner Mutter befreien. Er stellte sich auf die Straße, beobachtete die Menschentraube um Dave und wünschte sich, in das Auto gestiegen zu sein, wenn er dafür auch nur einen Bruchteil der Aufmerksamkeit geerntet hätte, die Dave nun entgegengebracht wurde, wenn ihn all diese Augen anschauen würden,

Weitere Kostenlose Bücher