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Mystic River

Titel: Mystic River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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Blut. Er öffnete den Kühlschrank, nahm ein Bier heraus, setzte sich zum Trinken auf den Küchentresen und die Geräusche und Lichter der Nacht zuckten durch seinen Schädel, ließen ihn zweifeln, ob er nicht doch schon zu alt für das alles war, ob er die Todesfälle, niederen Tatmotive und abgestumpften Täter nicht einfach satt hatte, genauso wie das Gefühl, ständig beschmutzt zu werden.
    In letzter Zeit war er dauernd müde. Menschenmüde. Buch- und fernsehmüde, müde der nächtlichen Nachrichten und der Lieder im Radio, die genau wie die Lieder klangen, die er schon vor Jahren gehört hatte und die ihm damals schon nicht gefallen hatten. Er war seiner Klamotten und seiner Frisur müde und anderer Leute Klamotten und Frisuren. Er war des Suchens nach einem Sinn müde. Er war der internen Rangeleien auf der Dienststelle müde und des Getratsches, wer wen fickte, symbolisch wie wörtlich. Er hatte einen Punkt erreicht, an dem er überzeugt war, alles gehört zu haben, was jeder zu jedem beliebigen Thema zu sagen hatte. Deshalb schien es ihm, als verbringe er seine Zeit damit, alte Aufnahmen abzuspielen, die sich schon beim ersten Mal nicht gerade frisch angehört hatten.
    Vielleicht war er einfach des Lebens müde, der unendlichen Anstrengung, jeden verfluchten Morgen aufzustehen und jeden beschissenen Tag zu ertragen, der sich nur unwesentlich durch Wetter und Essen vom vorigen unterschied. Er war zu müde, um sich um ein totes Mädchen zu scheren, weil bald das nächste folgen würde. Und das übernächste. Und er war auch zu müde, um die Mörder in den Knast zu stecken. Selbst wenn sie lebenslänglich bekamen, verschaffte es ihm keine angemessene Genugtuung mehr, weil sie einfach nur dahin gingen, worauf sie ihr dumpfes, lächerliches Leben lang zugesteuert waren, und trotzdem blieben die Toten tot. Und die Beraubten und Vergewaltigten blieben beraubt und vergewaltigt.
    Er fragte sich, ob das wohl eine klinische Depression war, diese totale Taubheit, dieses müde Fehlen von Hoffnung.
    Katie Marcus war tot, ja. Eine Tragödie. Vom Kopf her verstand er das, aber er fühlte es nicht. Sie war nur eine weitere Leiche, ein weiteres zerbrochenes Licht.
    Und seine Ehe, was war die, wenn nicht ein zerbrochenes Licht? Herrgott noch mal, er liebte Lauren, aber sie waren so verschieden, wie zwei Menschen nur sein konnten, die angeblich doch zur gleichen Rasse gehörten. Lauren mochte Theater, Bücher und Filme, bei denen Sean noch nicht mal raffte, ob sie untertitelt waren oder nicht. Sie war redselig und gefühlsbetont und verflocht Wörter gern zu Schwindel erregenden Strängen, die sich zu einem immer höher werdenden Turm aus Sprache verdichteten, bis sich Sean irgendwo im dritten Stock verirrte.
    Zum ersten Mal hatte er sie am College auf der Bühne gesehen, wo sie in einem Schwank ein verlassenes Mädchen spielte, dem keiner im Publikum auch nur eine Sekunde lang abnahm, dass irgendjemand eine derart Energie geladene Frau, eine Frau, die vor Lebenslust, Leidenschaft und Neugier nur so sprühte, sitzen ließ. Sie hatten damals ein merkwürdiges Paar abgegeben: Sean, der Ruhige und Praktische, immer reserviert, außer wenn er mit ihr zusammen war, und Lauren, das einzige Kind in die Jahre gekommener, liberaler Hippies, die sie bei ihrer Arbeit für das Peace Corps mit um die ganze Welt genommen und in ihr den Wunsch geweckt hatten, alles zu sehen, anzufassen und das Beste im Menschen zu suchen.
    Sie passte in die Theaterwelt, zuerst als Schauspielerin am College, dann als Regisseurin in kleinen lokalen Programmtheatern und schließlich als Inspizientin größerer, reisender Musicals. Doch war es nicht das Reisen, das ihrer Ehe zu schaffen gemacht hatte. Verflucht, Sean wusste noch immer nicht, was es gewesen war, auch wenn er den Verdacht hegte, dass es etwas mit ihm und seinem Schweigen zu tun hatte, mit der langsam wachsenden Verachtung, die sich jeder Bulle irgendwann aneignete – eigentlich eine Art Menschenverachtung, die Unfähigkeit, an hehre Motive und Nächstenliebe zu glauben.
    Ihre Freunde, die er früher einmal faszinierend gefunden hatte, kamen ihm immer kindischer vor, zugedröhnt mit einem Beruhigungsmittel aus künstlerischer Theorie und lebensferner Philosophie. Sean verbrachte die Nächte an den Schauplätzen des wahren Lebens, wo Menschen ohne einen ersichtlichen Grund vergewaltigten, stahlen und töteten, nur weil es ihnen einen Kick gab, und am Wochenende danach durchlitt er eine

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