Mystic Tales - Sammelband mit 4 Romanen (German Edition)
leise nach oben geschlichen. «
Emily beruhigt sich. » Ja, Sie haben mich erschreckt. Und nicht nur jetzt. Sondern auch im Wald. Ich war erschüttert, wie Sie meinen Bruder behandelt haben. «
Gald verzieht das Gesicht. » Lassen wir das, Miss Emily. «
» Aber ich will es nicht lassen. «
» Mir wird Ihre Hartnäckigkeit lästig. «
Sie stemmt die Hände in die Hüften. » Sie sind sich Ihrer Sache zu sicher. Richard haben Sie schon aus dem Haus gejagt und was ist, wenn ich ihm folge? Dann können Sie hier versauern und vor mir aus auch verhungern. Sie können das ganze Haus mit Lehm verschmutzen, überall Zigarrenasche verteilen und ein einsamer, alter Mann werden, der niemanden hat, der sich um ihn kümmert. Vielleicht fahren Sie mal auf eines ihrer anderen Güter, aber dort wird es ähnlich aussehen, da es niemand mit Ihnen aushält. «
Er lächelt, und um seine Augen bilden sich kleine Falten. Noch nie hat er so freundlich ausgesehen. Er öffnet die Salontür und bittet Emily hinein. Wortlos gießt er ihr einen Brandy ein und sich selbst Sodawasser. Er hebt sein Glas. » Selten habe ich so viel Sorge in den Worten einer Frau gehört. Und seien Sie versichert, ich bin vielen Frauen in meinem Leben begegnet. «
» Niemand in Bluehaven weiß etwas davon. «
» Ich spreche von Frauen, die heutzutage fast vergessen sind. «
Sie blinzelt und leert das Glas. Sie trinkt viel zu schnell, aber sie ist neugierig, auch wenn sie seiner Überheblichkeit – Sorge? Wo hat sie sorgenvoll geklungen? – am liebsten ein Beinchen stellen würde.
» Sie sprechen in Rätseln. «
» Ja, das ist meine Eigenart « , sagt er. » Wie auch immer, ich beiße bei Ihnen offensichtlich auf Granit. Sie haben beschlossen, mir Paroli zu bieten, und dem muss ich mich stellen. Um ehrlich zu sein, hatte ich auch nichts anderes erwartet, dennoch hält das Leben so viele Überraschungen bereit, dass man zuerst abwarten muss. Und ganz nebenbei ... Sie haben heute eine gute Figur gemacht. Zwar etwas hilflos, aber als ich Sie freihändig reiten sah, mit dem gespannten Bogen in der Hand, waren Sie wie ein Weib, um das ein Ritter gerne kämpft. «
Ritter? Kämpft? Was hat das zu bedeuten?
» Verwirre ich Sie? «
Sie nickt und vergisst, dass sie sich reinigen will. Stattdessen sinkt sie auf das Sofa und blickt zu ihm auf. Täuscht sie sich oder will er sich ihr mitteilen? Wird sie die erste Frau Bluehavens sein, die die Wahrheit über Clifford Gald erfährt?
Er nippt an seinem Wasser und setzt sich in einen Sessel. Das Nachmittagslicht fällt in den Salon und zeichnet trübe Schatten. Es gibt zu viel Nippes, und die dicken Teppiche schlucken die Gedanken. Die Möbel sind dunkel und die Bilder dräuend. Der Salon umarmt einen wie ein schlechter Traum. Lediglich die kleine Bar mit den Kristallgläsern, in denen sich einsame Sonnenstrahlen spiegeln und der hübsche Tisch schenken dem Raum Behaglichkeit. Der Kamin ist zu groß, und der Wind heult durch den Erker. Glutspritzer haben den Teppich, den Holzboden und Teile der unteren Couch beschädigt. Die Hunde haben überflüssige Kratzer auf den Dielen und dem Steinboden hinterlassen, außerdem riecht es nach nassem Fell. Noch nie hat Emily den Salon mit diesen Augen gesehen.
Gald streift ächzend die Stiefel von den Füßen, danach die Strümpfe. Er wirft die Beine über die Sessellehne, und nun stockt Emily tatsächlich der Atem. Er benimmt sich wie ein großer Junge, völlig ungezwungen.
» Am liebsten würde ich Sie küssen « , sagt er leichthin.
Sie fährt hoch, das Glas rutscht ihr fast aus den Fingern.
» Das Problem sind die Konventionen. Sie ändern sich stets. In dieser Zeit sind sie besonders verlogen. Zwar geschieht vieles hinter verschlossenen Türen, fast jeder Hausherr verführt seine Dienstmagd, manchmal die Paare gemeinsam, doch noch nie war der Puritanismus so stark wie in dieser Epoche. Nach außen hin ist alles sündhaft, doch unter dem Rock wird geschäkert, dass es eine Wonne ist. Deshalb genug geredet. «
Er steht barfuß auf, beugt sich über Emily, nimmt sie am Kinn, hebt ihren Kopf und drückt ihr einen Kuss auf die Lippen. Ganz selbstverständlich. Sanft und dennoch männlich. Emily findet das schön – und schon versetzt sie ihm eine schallende Ohrfeige. Er fällt zurück in den Sessel und lacht, wobei er seine Wange reibt. Dabei sieht er belustigt aus.
» Siehst du, das meinte ich. Ich habe es in deinen Augen gesehen. Du genießt es, und doch sind die
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