Mystic Tales - Sammelband mit 4 Romanen (German Edition)
umgekehrt ebenso.
Dort waren Fußspuren im Schnee. Die Verfolger würden seinen Fußspuren folgen.
Er spitzte die Ohren und bemühte sich, seinen Atem zu kontrollieren. Er hatte in den letzten vierundzwanzig Stunden mehrfach bewiesen, dass er klüger war als seine Verfolger.
Aber sie waren zäh.
Er kniff seine Augen zusammen. Irgendwo musste es einen Ausweg geben. Er konnte es auf eine Konfrontation nicht ankommen lassen. Noch nicht!
Vorsichtig schlich er einige Meter weiter in den Wald hinein, blieb bewegungslos stehen und lauschte. Wie in Zeitlupe tastete er sich Schritt für Schritt rückwärtsgehend den Weg zurück, wobei er genau darauf achtete, seine Füße in die alten Fußstapfen zu setzen. Es war ein verbrauchter Trick, und er hoffte, seine Verfolger würden ihn nicht durchschauen.
Seitlich bogen sich Äste bis über den Waldboden, an denen er behände hochkletterte. Zwei Meter. Drei Meter. Seine Schuhe rutschten auf den vereisten Ästen weg. Krampfhaft hielt er sich am Stamm fest und wand sich mit eingezogenen Schultern Meter für Meter nach oben. Dabei versuchte er, so leise wie möglich zu sein.
Weiter ging es nicht.
Der Waldboden lag mehr als fünf Meter unter ihm und wenn er sich ruhig verhielt, würde man ihn vorerst nicht entdecken - zumindest hoffte er das!
Alles war still.
Hatte man die Verfolgung aufgegeben?
Dann tauchten sie unter ihm aus dem Dunkel auf. Zwei Männer , die seinen Fußabdrücken folgten, verharrten, bevor sie in die Hocke gingen und miteinander tuschelten. Ihnen war nicht entgangen, dass seine Spur abgebrochen war.
Der Schneefall wurde stärker, sodass die dunklen Kutten der Verfolger aussahen, wie mit Puderzucker bestäubt. Einer von ihnen wies zu einem entfernt stehenden Baum hoch.
Der Flüchtende drückte sich eng in den Schatten. Sollten sie ruhig denken, er habe sich in Luft aufgelöst.
Die Verfolger schritten um einen Baum und suchten das Geäst nach ihrem Opfer ab. Einer der beiden schüttelte seinen Kopf und zuckte mit den Achseln.
Tief im Wald knackte ein Ast so laut, dass es wie ein Donnerhall klang.
Die Verfolger wirbelten herum.
»Das ist er !«, rief einer der beiden.
Erleichtert blickte der Mann seinen Verfolgern nach , die in die Richtung des Geräusches liefen und von der Dunkelheit verschluckt wurden.
Der Lichtkegel eines Autos wischte durch den Wald. Wie es aussah, gab es nicht weit entfernt eine Straße. Das war gut und würde seine Flucht erleichtern. Nur vier Kilometer von hier gab es ein Dorf. Grindelwald. Das war sein Ziel, denn dort würde er sich verstecken, um weitere Pläne zu schmieden.
Der Mann machte sich daran, vom Baum herunter zu klettern, als ihn ein dumpfes Dröhnen so erschreckte, dass er die letzten zwei Meter fiel und unsanft im Schnee landete.
Es war das Geräusch eines Autos gewesen, ein schauerlicher Ton, der sich in Wellen durch den Wald fortpflanzte.
Ein Unfall! Unten an der Straße war ein Unfall geschehen!
Licht!
Grelles Licht blendete Rita. Sie jammerte, allerdings nicht vor Schmerzen, vielmehr war sie maßlos erschrocken, denn jemand strahlte sie direkt mit einer Taschenlampe an.
Schmerzen?
Warum gab es keine Schmerzen? Keine Pein? Im Gegenteil - sie fühlte sich ruhig, gelassen , wenn nicht sogar ... ausgeruht. Sie tastete hinter sich , und ihre Finger fanden Baumrinde. Sie lehnte mit dem Rücken an einem Stamm.
Was , um alles in der Welt , war geschehen? Sie hatte ihre Knochen brechen hören, hatte Schmerz gefühlt, weniger stark, als man annehmen sollte, aber er war da gewesen, denn sie war aus dem Wagen geschleudert worden, hatte im Schnee gelegen , und tiefe Stille hatte einen barmherzigen Mantel über sie gebreitet. Warum also konnte sie hier sitzen? Und wer blendete sie mit der Lampe?
Rita stöhnte, als sie versuchte, sich zu bewegen. Sie spürte lediglich ein feines Pochen, einem späten Muskelkater nicht unähnlich, sonst schien sie völlig in Ordnung zu sein.
Das Licht schwenkte weg , und Rita kniff die Augen zusammen. Etwa fünfzig Meter entfernt lag das Autowrack. Es hatte sich r egelrecht um den Baum gewickelt.
Sie träumte. Nur so konnte es sein.
Niemand auf der Welt konnte einen solchen Unfall unbeschadet überstehen. Man trug schwerste Verletzungen davon , oder starb! Das Wrack war mit Schnee bedeckt und verwandelte sich in einen weißen Hügel.
Und si e lehnte hier und fühlte sich ... gut! Das war absurd.
»Wer sind Sie ?«, flüsterte sie.
Eine warme Hand legte sich auf ihre
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