Mystic Tales - Sammelband mit 4 Romanen (German Edition)
ausführen werde, da ich immer zu Ende führe, was ich beginne, Peter. Ich bin dir haushoch überlegen.«
»Ja, das bist du, Richard! Trotzdem besteht kein Grund dazu. Denke an unsere alte Freundschaft.«
Was hier geschah, entzog sich Ritas Begriffsvermögen. Eines aber war ihr klar : Peter wollte eine mögliche Auseinandersetzung vermeiden.
Woher war Peter gekommen? Wie hatte er wissen können, dass sie sich in Gefahr befand? Er schien sie beobachtet zu haben, hatte vielleicht von der gegenüberliegenden Straßenseite aus das Hotel im Auge behalten. Kein Wunder, dass er aussah, als habe er seit Tagen nicht mehr geschlafen.
Nein, hier ging es nicht um sie. Richard hatte Peter eine Falle gestellt und Peter war - wissentlich oder nicht! - hineingetappt.
Richard breitete seine Arme aus. Nun wirkte er mehr denn je wie eine Fledermaus. Er murmelte unverständliche Worte und schloss mit einem klatschenden Geräusch seine Hände.
Peter taumelte zurück, als habe ihn eine unsichtbare Faust getroffen. Richard wiederholte diese Schwimmbewegung. Peter stöhnte, krümmte sich und hielt sich am Rand des kleinen Tisches fest.
»Warum nur, Richard ... warum ...?«, ächzte er. In seinen Augen standen Hilflosigkeit und Mitleid.
Wieso in Gottes Namen wehrte Peter sich nicht? In Rita stieg Verzweiflung hoch. Im selben Moment sah sie etwas blinken. Es lag nur eine Armlänge entfernt neben dem Sessel. Es war die Glasschüssel, die sie fallen gelassen hatte.
Rita überlegte nicht lange, bückte sich und zog mit den Fingerspitzen die Schüssel zu sich heran. Dabei ließ sie Richard keinen Augenblick aus den Augen. Dieser jedoch schien sich für Rita nicht zu interessieren. Stattdessen jagte er weitere -
ja was nur?
waren es Wellen oder einfach nur unsichtbare Schläge?
gegen Peter. Dieser wehrte sich immer noch nicht, sondern taumelte wie ein schwer angeschlagener Boxer durch das Zimmer. Blut lief ihm aus der Nase , und seine Haare standen wirr vom Kopf, als ständen sie unter Strom. Wenn das so weiterging, würde Peter in zwei oder drei Minuten erledigt sein.
Rita sprang auf, die Glasschüssel hoch über den Kopf gehoben und schnellte auf Richard zu, der sofort merkte, was vor sich ging und herumwirbelte.
Sein eisiger Blick durchbohrte Rita.
Langsam schüttelte der Kapuzenmann seinen Kopf. Sein Lächeln wirkte fast schon traurig.
Schlag zu!, schrie es in Rita. Schlag zu!
Richard breitete seine Arme aus.
Schlag zu! Sei schneller als er , oder er wird dich töten!
Rita legte alle Kraft in ihren Schlag und donnerte Richard die Glasschüssel vor den Schädel.
Richard heulte auf und schlug impulsiv die Hände vor sein Gesicht, ein Fehler, wie sich herausstellen sollte, denn eine unsichtbare Kraft explodierte unter seinen Handflächen. Sein Kopf zuckte vor und zurück, als rissen tausend Klauen an seinen Haaren. Spritzende Funken schnellten zwischen seinen Fingerspitzen hervor und machten seine Hände für Sekunden durchscheinend wie Pergament.
Der grausige Anblick erschütterte Rita so sehr, dass sie rückwärts stolperte und sich erneut hinter dem Sessel verbarg. Sie versteckte ihren Kopf in ihren Armen. So hörte sie nur, was geschah. Es zirpte und zischte, als falle Regen auf eine defekte Hochspannungsleitung , und nur Sekunden später stank es nach verbranntem Fleisch. Richard gab lediglich ein seufzendes Keuchen von sich, dann schlug sein Körper mit einer schweren Bewegung auf den Teppichboden.
Es war still.
Völlig still.
Noch immer wollte Rita nicht aufschauen. Sie ahnte, was sie sehen würde , und alleine bei dem Gedanken daran drehte sich ihr der Magen um. Sie fror und schwitzte gleichzeitig , und ihr Körper wurde von Adrenalin geschüttelt.
Eine Hand legte sich auf ihre Schulter. Rita öffnete widerwillig die Augen. Peter kniete neben ihr und strich vorsichtig und beruhigend über ihr Haar.
»Helfe ihm , heile ihn ...«, wisperte Rita.
»Das kann ich nicht. Die Kraft, mit der er dich umbringen wollte, richtete sich gegen ihn selbst. Er ist tot!«
Peter drehte sein Gesicht weg. In seinen Augen lag eine tiefe Traurigkeit. Er schien zu spüren, dass Rita eine Erklärung erwartete, also lächelte er grimmig und sagte: »Richard war mein Bruder!«
Rita stemmte sich an der Lehne des Sessels hoch. Ihr Blick fiel auf Richard, der auf dem Bauch lag, das Gesicht weggedreht.
Es war das erste Mal in Ritas Leben, dass sie eine Leiche sah, und spontan drehte sich ihr der Magen um , und ihre Knie wurden
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