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Mystic

Mystic

Titel: Mystic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark T. Sullivan
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Luftmassen, die Washington, D. C., im Griff gehabt hatten und nun über Vermont lagen und mit ihrer Schwüle ringsum auf den Hängen lasteten.
     
    Während der einstündigen Fahrt von Bethel nach Lawton fühlte sich Gallaghers ganzer Körper so an, als wäre er mit Schmerzmitteln vollgepumpt. Andies Verschwinden war die Hauptmeldung bei einem Nachrichtensender in Burlington. In einem der Beiträge schlug Bürgermeister Bruce Powell wahre Saltos, um jeglichen Zusammenhang zwischen seiner Stadt und den Morden auszuschließen. Chief Mike Kerris, Monsignore Timothy McColl und Terrance Danby wurden mit keinem Wort erwähnt.
    Gallagher fuhr ziellos in der Stadt umher, er hasste das helle Licht und die Hitze. Hier im Flusstal war der Winter besiegt, aber er fand keine Freude an den ersten Apfelblüten, den Ahornblättern, die aus ihren Knospen brachen, oder den Schwärmen von Finken und Rauchschwalben, die durch die Luft schwirrten. Eine Elchkuh überquerte mit ihrem Kalb die Straße vor ihm. Seine Gedanken gingen zu Emily, und er öffnete die Wagentür und übergab sich.
    Ein halbes Dutzend Übertragungswagen des Fernsehens standen vor dem Rathaus. Als er langsam an den Ü-Wagen vorbei die Hauptstraße hinunterfuhr, hatte er einen freien Blick auf die Flanke des Lawton Mountain bis zum Gorm Ridge hinauf. Dort oben auf den Gipfel standen die Bäume immer noch tot und grau.
    Am Nachmittag fuhr Gallagher schließlich auf die River Road, um sich in die Einsamkeit seiner Hütte zu begeben. Als er jedoch an der Farm vorüberkam, überwältigte ihn das Bedürfnis, den Dingen nahe zu sein, die Andie gehörten.
    Er parkte im Hof, stieg aus und wurde sofort von einer Wolke schwarzer, beißender Fliegen angegriffen, die in der Wärme geschlüpft waren. Mit ihren messerscharfen Scheren saugten sie ihm Blut aus Nacken, Stirn und Ohren, und er lief schnell hinein, um ihnen zu entkommen. Das Haus lag still da. Der Geruch gefallener Blätter hing schwer in der Luft.
    Tess miaute und kam aus dem vorderen Zimmer gelaufen. Gallagher schüttete etwas Trockennahrung in ihre Schüssel und strich ihr über den Rücken, während sie fraß. Die Katze rollte sich auf seinem Schoß zusammen, als er sich in Andies Sessel setzte und die Kopien las, die Lieutenant Bowman ihm von Libby Curtins Tagebuchteil und Charuns letztem Brief gemacht hatte.
    Ich vögelte Angel mit verbundenen Augen und zugestopften Ohren, bis wir ans andere Ufer kamen. Vögelte sie, bis sie in das schlammige Wasser trat und hinauskletterte.
    Ich blieb warm und lebendig in meiner Persephone. Warm und tot. Kalt und tot, doch obwohl uns der Strick so eng zusammenband, konnte ich nichts sehen. Ich ließ sie am Ufer zurück, und sie ging weiter, während ich allein zurückruderte.
    Du denkst, du kennst mich jetzt, Lawton, doch du irrst dich. Ich bin der Fährmann. Ich bin der Liebhaber. Ich bin der Schamane, und ich bin der Veränderer.
    Der Sommer kommt. Und Hades hat Persephone wieder auf die Erde gelassen. Ich habe sie gesehen. Ich werde sie noch einmal besitzen, für eine neue Überfahrt.
    Gallagher gefror das Blut bei den nekrophilen Bildern. Er drehte den Brief um und besah sich die Zeichnung. Das Monster schien ihm mit dem Wissen zu drohen, dass es sein Leben in der Hand hatte. Er warf die Zeichnung hin, stand auf und ging ziellos durch das dunkle Haus, suchte die Plätze, wo Andies Geruch konzentriert war.
    Ihr Duft war am stärksten am Eingang des begehbaren Schrankes in ihrem Schlafzimmer, und Gallagher stand da und sog immer heftiger die Luft ein, bis er auf dem Teppich zusammenbrach. Die Katze sah ihm von der Tür aus ungerührt zu.
    Gallagher schloss die Augen und versuchte zu schlafen. In seinem Kopf waren alle Erinnerungen scharlachrot eingefärbt. Andie ging in herrlicher Nacktheit vorbei, doch als er die Hand nach ihrem Bauch ausstreckte, wurde er zu Emilys Bauch. Gallagher stöhnte und legte schützend die Arme um seinen Kopf, als wollte er sich vor harten Schlägen schützen. Aber der Schmerz war jetzt nicht mehr aufzuhalten.
    Sechs Monate nachdem Emily ihn verlassen hatte, um nach Mexiko zu gehen, schlenderte sie eines Tages unangemeldet in den Schneideraum, den Jerry und er für ihre Produktionsarbeiten in Manhattan gemietet hatten. Sie hatte ein paar Pfunde zugelegt, was ihr gut stand. Sie sah gebräunt aus und trug ein sehr weites, schwarzes Baumwollhemd. In dem Moment, in dem Gallagher vom Videomonitor aufsah und sie erblickte, hatte er auch schon begonnen,

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