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Mystic

Mystic

Titel: Mystic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark T. Sullivan
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Unebenheiten an der Wunde? Die Schneide war handgeschärft.«
    Allen sah sich noch einmal die Wunden an und ließ seinen Blick dann tiefer gleiten. »Da er nicht aufgedunsen ist, würde ich meinen, er hat nicht länger als acht Stunden im Wasser gelegen. Und – auch wenn ich es nicht gern sage – er scheint vergewaltigt worden zu sein, bevor er umgebracht wurde. Hat er eine Art Doppelleben geführt?«
    »Sie meinen, wie …«, begann Gavrilis.
    »Hank Potter?«, rief Kerris aus. »Auf keinen Fall. Der hat doch an der Universität Football gespielt.«
    Melvin Allen zuckte die Achseln. »Wie dem auch sei. Auf jeden Fall werd ich mehr wissen, sobald ich ihn auf dem Tisch habe. Montagmorgen ist Autopsie. Um Punkt halb sieben.«
    Ringsum war ein Stöhnen zu hören. Allen war bekannt dafür, dass er seine Autopsien in aller Herrgottsfrühe abhielt.
    »Wer hat die Leiche gefunden?«, fragte Lieutenant Bowman. Andie Nightingale zeigte auf Gallagher, der immer noch auf der Veranda saß. Er winkte schwach, und sie kamen alle zu ihm herüber, außer Gavrilis, der das Funkgerät rauschen hörte und zum Suburban lief. Gallagher stand auf, und Kerris warf ihm einen prüfenden Blick zu, den er ignorierte. Sie stellten ein paar grundsätzliche Fragen – woher er stamme, was er beruflich mache, weshalb er die Hütte gemietet habe. Gallagher leierte folgsam die wichtigsten Dinge seines Lebenslaufs herunter wie ein Alzheimer-Patient, der sich bemüht, die letzte Kontrolle über seine Identität nicht zu verlieren – dass er seinen Doktor in Anthropologie an der Cornell University gemacht hatte, wo vergleichende Mythologie sein Spezialgebiet gewesen war. Er hatte ein Jahr lang als Assistent in Harvard gearbeitet, bevor er die Universität verließ und als Kulturreporter bei
The Boston Globe
anfing, sozusagen auf den Spuren von Tom Woolfe. Drei Jahre später gewann Gallagher den Pulitzer-Preis für eine Artikelserie, die sich mit dem Leben von Kindern in den Kampfgebieten von Glaubenskriegen beschäftigte. In den letzten sieben Jahren hatte er Dokumentargeschichten und -filme für
National Geographic
, PBS und den »Discovery Channel« geschrieben und produziert. Der größte Teil seiner Arbeit konzentrierte sich auf die Wechselwirkung von Kultur und Religion.
    »So, so«, meinte Kerris lakonisch, als Gallagher geendet hatte. Er besaß eine Art, einen mit zusammengezogenen Brauen anzusehen, die einem das Gefühl gab, man könne in seiner Gegenwart gedemütigt werden. »Und was machen Sie hier? In Lawton gibt’s keine fremde Religion.«
    »Ich angle«, entgegnete Gallagher scharf. »Aber ich sammle auch noch Informationen über Pater D’Angelo – den Priester, der hier vor achtzig Jahren starb und kurz vor seinem Tod noch Wunder wirkte.«
    »Was soll mit ihm sein?«, fragte Kerris, und seine Brauen zogen sich noch mehr zusammen.
    »D’Angelo soll heiliggesprochen werden«, antwortete Gallagher. »Ich plane ein Filmprojekt über die Heiligsprechung in der katholischen Kirche.«
    In diesem Augenblick rief Kerris’ Mitarbeiter vom Suburban herüber: »Chief, auf der Wache hat eben Paula Potter angerufen und Hank als vermisst gemeldet. Sie vermutet, er habe sich bei der Truthahnjagd ein Bein gebrochen.«
    Lieutenant Bowman klickte ihre dunkelroten Fingernägel zusammen und wandte sich Andie Nightingale zu. »Werden Sie allein damit fertig?«
    »Ich fahr gleich hin«, antwortete diese und warf den anderen einen unsicheren Blick zu.
    »Danach habe ich nicht gefragt.«
    Andie Nightingale zog die Schultern hoch. »Ich werd schon damit fertig werden, Brigid.«
    Brigid Bowman klickte wieder ihre Fingernägel gegeneinander. »Rufen Sie mich an, wenn Sie da oben was finden?«
    Nightingale biss die Zähne aufeinander. »Auf jeden Fall.«
    Kerris rollte seinen Lutscher mit der Zunge von der einen Backentasche in die andere, offensichtlich freute er sich über ihr Unbehagen. Er sagte: »Ich sorge dafür, dass meine Leute das Flussufer auf dieser Seite der Stadt absuchen. Vielleicht finden wir ja seine Hose und den anderen Socken.«
    »Bin ich entlassen?«, fragte Gallagher.
    Andie Nightingale gelang ein echtes Lächeln, das ihm das Herz erwärmte. »Ja. Aber verlassen Sie Lawton nicht, ohne Bescheid zu geben. Ich brauche Sie noch für ein paar weitere Fragen.«
    »Und in der Zwischenzeit?«
    »In der Zwischenzeit können Sie ja für Ihren Film recherchieren und fischen«, antwortete sie.

5
    Paula Potter lehnte am Eingang zum Hühnerstall, das

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