Mythor - 036 - Die Inseln der Verfemten
weder gewillt war, sich veralbern zu lassen, noch dass er Mythor für so blöd hielt, nicht plündern zu wollen. Wer in diesem Landstrich nicht danach trachtete, seinem Nachbarn den Schädel einzuschlagen und ihm Haus, Hof, Weib und Vieh zu nehmen, der galt offenbar als hirnsiech, zumindest in den Augen der Lorvaner.
Mythor ging auf die Ausdruckskürze des Lorvaners ein. »Wir dir Schädel einschlagen müssen, um an Inseln zu kommen?« erkundigte er sich.
Der Lorvaner grinste breit, seine Gefährten waren amüsiert. Die Vorstellung, dass Mythor mit einem von ihnen raufen wollte, erheiterte die Barbaren ungemein.
»Du probieren?« fragte hoffnungsvoll der Anführer des Haufens.
Mythor seufzte leise. »Wir sind Freunde«, sagte er beschwörend, hoffend, dass Kaschkas in der Lage sei, längere zusammenhängende Texte zu verstehen, wenn er angesprochen wurde. »Freunde, verstehst du? Wir wollen nichts von dir, nur hinüber zu den Inseln.«
»Gut«, sagte Kaschkas. Mythor stellte beiläufig fest, dass am Griff von Kaschkas’ Schwert ein sorgsam getrockneter Menschenkopf mit langem blondem Haar baumelte. Der Lorvaner liebte augenscheinlich grausige Andenken.
Kaschkas hatte seine eigenen Ansichten über die Lage. »Du uns geben, wir dich durchlassen.«
»Wenn es denn sein muss«, seufzte Mythor.
Kalahar griff nach seinem Arm. Der Leibmagier des Coroman Hassif sah Mythor durchdringend an. »Es gibt andere Mittel und Wege«, erinnerte er.
Mythor streifte die Hand des Buckligen ab. »Ich werde fragen, was er haben will«, sagte er. »Also, Kaschkas, was möchtest du haben?«
Der Lorvaner hatte sich ein Zollverfahren einfallen lassen, das seinem Gemüt entsprach. Er grinste nur. »Alles«, sagte er laut und deutlich.
Mythor schloss für einen kurzen Augenblick die Augen. Innerlich fühlte er sich versucht, den pelzigen Barbaren um mindestens einen Kopf kürzer zu machen, aber er wollte Nottrs Gefährten und Freunde nicht ohne Not verärgern.
»Das ist ein wenig zu viel«, sagte er halblaut.
»Gerade genug«, entgegnete Kaschkas.
Einer seiner Begleiter fing an zu gestikulieren und deutete auf etwas hinter Mythors Rücken. Der Sohn des Kometen drehte sich langsam um.
Irgendeiner der Unterführer, vermutlich Cepran, war auf den unglückseligen Einfall gekommen, Kaschkas imponieren zu wollen. In geordneter Formation stand die gesamte Streitmacht der Coromanen auf dem Hügelkamm. Es sah beeindruckend aus, und die Wirkung ließ nicht lange auf sich warten.
Mit einem Blick hatte Kaschkas die Lage erfasst und die Stärke seiner Gegner abgeschätzt. Sein Gesicht glänzte vor Freude. »Viel Feind, viel Beute«, sagte er zufrieden. »Ihr alles abliefern, sonst wir kommen holen.«
»Er hat das Gemüt eines Steuereinnehmers der Caer«, knurrte Kalahar ergrimmt. »Ich denke, du kannst mit diesen Leuten reden… also rede!«
Mythor warf noch einen Blick auf die Coromanen. Sie blieben auf dem Hügel stehen. Währenddessen purzelten die Lorvaner aus ihrer Zeltstadt und beeilten sich, auf das vermeintliche Schlachtfeld zu kommen. Sie schienen es kaum erwarten zu können.
»Warum müssen wir uns raufen?« fragte Mythor. »Sind wir nicht Freunde?«
»Wir?«
»Ja, wir«, behauptete Mythor. »Ich kenne einen von euch Lorvanern, Nottr, er ist mein Freund.«
Die Lorvaner zeigten sich davon wenig beeindruckt. Kaschkas entblößte sein lückenhaftes Gebiss .
»Du Freund von Lorvanern? Du Freund von Nottr?«
»Ja«, sagte Mythor, darauf hoffend, dass der Zwist damit ein Ende hatte.
Er sah sich bitterlich getäuscht. Aus dem Lorvaner, der offenbar gar keiner war und großen Wert darauf legte, nicht für einen Lorvaner gehalten zu werden, brach ein Redeschwall hervor, den Mythor kaum verstand, der ihm aber zweierlei klarmachte – zum einen, dass er es mit den Cirymern unter Kaschkas und nicht mit Nottrs Lorvanern zu tun hatte, zum zweiten, dass er mit seinem fürchterlichen Verdacht die ganze Wut der Cirymer und Kaschkas’ auf sich geladen hatte. Der Barbar fluchte, dass es eine Art hatte.
»Du nicht nur geben Sachen«, sagte er wutschnaubend. »Du geben Reittier und Schwert und Schnaps und schöne Weiber, sonst wir kommen und dann…«
»Auf dieser Basis lässt sich einfach nicht verhandeln«, sagte Kalahar.
Kaschkas deutete auf den Buckligen. »Spaßmacher, hässlichen, auch an Kaschkas geben«, sagte er. »Er springen, wenn man ihn treten.«
Damit war die Todfeindschaft erklärte Sache, an Verhandlungen war nicht mehr zu
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