Mythor - 037 - Der Koloss von Tillorn
Furcht ihn gelähmt. Hass tobte in Kaschkas, wütender Hass auf den Mann, dem er dieses grausige Schicksal zu verdanken hatte, aber nicht einmal die Glut dieses Hasses war imstande, den eisigen Panzer der Furcht zu durchbrechen, die Kaschkas gebannt hielt.
»Da kommt er, Kaschkas!« hörte der Mann im Zelt rufen. Er erkannte die Stimme eines seiner Unterführer, dann seine eigene Stimme – seltsam verzerrt, aber dennoch typisch.
»Lasst ihn kommen«, sagte der falsche Kaschkas vor dem Zelt. »Vielleicht können wir uns mit ihm verbünden, wer weiß.«
»Willst du dich ducken vor diesem Burschen?« fragte der Zeltälteste.
„Kaschkas hörte sein eigenes boshaftes Lachen, mit dem er so oft Gefangenen den Schauderpelz auf die Haut gezaubert hatte.
»Natürlich nicht«, sagte der falsche Kaschkas.
Was mochte er vorhaben? überlegte Kaschkas. Was für eine Schurkerei hatte der Bucklige ausgebrütet? Kaschkas ahnte, dass er in dieser Beziehung seinen Meister gefunden hatte. An Niedertracht und schurkischer Gesinnung nahm es niemand mit Kalahar auf.
»Sei mir willkommen, Coroman Hassif«, sagte Kaschkas draußen, während der Kaschkas drinnen sich nicht rühren konnte – und in diesem Augenblick auch nicht wollte.
»Wir wollen miteinander reden«, sagte Hassif. Kaschkas konnte das dröhnende Organ des Räuberhäuptlings deutlich hören. Kannte Hassif denn seinen eigenen Leibmagier nicht? Oder war – Kaschkas durchfuhr eine Ahnung – auch Coroman Hassif nur Trugwerk? Täuschung wie der Kaschkas, der draußen redete und alle Cirymer zu täuschen vermochte?
»Du willst zu den Inseln, auf denen der Schreckliche haust und heert?« fragte Kaschkas. »Das wollen wir auch… Warum verbünden wir uns dann nicht?«
»Ein Coroman Hassif verbündet sich nicht«, sagte draußen die dröhnende Stimme. Kaschkas ahnte furchtgepeinigt, was kommen würde.
»Nun, wir Cirymer denken auch nicht daran, uns dem Befehl eines Räubers und Wegelagerers zu beugen.«
»Dann können wir das Gerede beenden«, sagte Hassif. Kaschkas konnte hören, wie er aufstand.
»Es fragt sich allerdings, wie viel die Coromanen noch wert sind, wenn es keinen Coroman Hassif mehr gibt«, sagte der falsche Kaschkas.
Draußen war es für einen Augenblick still. Dann ertönte ein leiser Schmerzenslaut, sofort übertönt von einem erschreckten Aufschrei aller Umstehenden. Danach Schweigen, dann Hassifs verächtliche Stimme: »Schurke!«
Dann Poltern, ein Geräusch von einem Körper, der auf den Boden fiel. Dann die Stimme des falschen Kaschkas: »Widersetzt sich noch einer meinem Befehl?«
Kaschkas schloss die Augen. Kalahar hatte sein Spiel gewonnen. Coroman Hassif lebte nicht mehr – wenn er jemals gelebt hatte. Der neue Herr über Cirymer und Coromanen hieß Kaschkas.
Der Täuscher trat ins Zelt. Er trug Kaschkas’ Dolch in der Hand, grinste und wischte das Blut an der Kleidung des Reglosen ab.
»Und jetzt brechen wir zu den Lichtsplitterinseln auf«, sagte Kalahar zu seinem Opfer. »Du wirst staunen, was du noch alles zuwege bringen wirst.«
Kalahar lachte laut und dröhnend, und Kaschkas stellte fest, dass er zum ersten Mal in seinem Leben weinte.
*
»Fern von hier stand meine Wiege, in einem Land, das ihr nicht kennen werdet. Es schadet also nichts, wenn ich euch den Namen nicht nenne. Meine Eltern gaben mir den Namen Vangard, und sie hofften, es würde ein großer und bedeutender Mann unseres Volkes aus mir. Das Schicksal meinte es gut mit mir. Ich konnte einen Teil dieser Wünsche meiner Eltern erfüllen. Viel habe ich gelernt in langen, mühevollen Jahren, und es ist mir gelungen, mir einen Namen zu machen in meinem Volke. Ihr müsst wissen, dass ich Magier geworden bin, und ich glaube, kein schlechter. Mein Volk hat mir oft gesagt, ich sei ihm von großem Nutzen gewesen bei der Abwehr aller Angriffe, die gegen uns aus der Schattenzone vorgetragen wurden. Ich musste aber nach langen Jahren erkennen, dass wir etwas falsch gemacht hatten. Im gleichen Maße nämlich, in dem wir das Böse aus unserer Welt vertrieben und zurückdrängten, kam das Böse als Verhängnis über die Völker des Nordens.«
»Willst du damit sagen…«, unterbrach Mythor.
Vangard lächelte. »Du irrst dich nicht, ich stamme aus dem Süden der Welt.«
»Darüber muss ich mehr wissen«, stieß Mythor hervor. »Es ist sehr wichtig, nicht nur für mich. Wenn du von jenseits der Schattenzone kommst…«
»Ich stamme aus dem Süden, aber ich kann dir nicht viel
Weitere Kostenlose Bücher