Mythor - 043 - Am Kreuzweg der Lichtwelt
auf.
»Oha«, grollte der Hüne. »Warum sollte ich warten? Ihr habt auch nicht gewartet, bis ich zurückkehre! Die Schatten sollen euch fressen, aber vorher bekommt ihr meine Klinge zu schmecken!« Er hieb nach Sadagar, der blitzschnell auswich. Larashi begann zu zittern, und der Rafher hob die Faust.
»Wie viel hat er euch gezahlt, dieser Schuft?« brüllte der Hüne und führte einen Rundschlag durch. »Sprich, oder ich durchbohre dich!«
Mythor schielte zum Ausgang, während er den wilden Schwerthieben auswich. Entweder war der Hüne nicht der geübte Kämpfer, als der er im ersten Ansehen wirkte, oder er spielte mit den vier ungebetenen Gästen.
»Wer soll wie viel wofür gezahlt haben?« fragte Mythor zurück, griff blitzschnell nach einem Tonkrug, in dem sich ein paar farbige Blumen tummelten, und hielt ihn dem Hünen entgegen. Klirrend zerbrach der Blumentopf unter dem nächsten Schlag des breiten Schwertes.
»Ceha Ricard, der elende Schurke!« schrie der Mann.
»Nicht!« schrie seine Tochter wieder aus ihrer Ecke hervor. »Du irrst, sie sind nicht Ricards Männer!«
Abrupt erstarrte er. Die Hand mit dem Breitschwert fiel herab, die Kinnlade ebenfalls. Augenblicke lang sah er sprachlos von einem zum anderen. Mythor grinste jungenhaft, Sadagar verzog mürrisch das Gesicht, und Larashi sagte überhaupt nichts. No-Angos Haltung entspannte sich; der junge Mann stand mittlerweile hinter dem Hünen und ließ die Faust sinken, mit der er den skurrilen Kampf beenden wollte.
Mythor stellte sich und die anderen vor. »Deine Tochter, Mann des heißen Blutes, hatte die Güte, uns vor dem Zugriff böser Menschen zu verbergen, die uns als Sklaven verkaufen wollten, wie ich annehme. Wir sind ihr also zu Dank verpflichtet.«
Der Hüne sah seine Tochter an. Seine Augen wurden schmal. »Hatte ich dir nicht aufgetragen, niemanden in meiner Abwesenheit hereinzulassen und laut um Hilfe zu schreien, falls es doch jemand täte? Nichtsnutziges Gör! Und was trägst du da für Kleidung, als befändest du dich bereits auf dem Markt? Zieh dir sofort einen langen Rock an!«
Die junge Frau sah an sich hinunter, Mythor ebenfalls. »Lass es gut sein, Mann«, sagte er. »Um sich umzukleiden, müsste sie den kurzen Rock erst einmal ausziehen… Sag an, für wen hast du uns denn gehalten, dass du so ungestüm angriffst?«
Der Mann schob das Schwert in die Scheide zurück und ließ sich auf eben jenen Schemel plumpsen, den zuvor Mythor benutzt hatte; das Möbelstück ächzte verdächtig, hielt aber stand.
»Für Ceha Ricards Handlanger«, sagte er und glaubte damit, alles gesagt zu haben.
Mythor zuckte mit den Schultern. »Wer ist das?« fragte er.
Der Hüne grollte. »Der Vater der zahlreichsten und hässlichsten Tochter nach Shallad Hadamur«, stieß er hervor. »Er weiß, dass er keine Chancen hat, sie zu einem guten Preis loszuwerden, wenn meine Lya, Tochter Hayads des Starken, auf dem Markt erscheint. Und deshalb versucht er sie zu rauben, ehe ich sie anbieten kann.«
Mythor wechselte rasche Blicke mit seinen Gefährten; entweder war Hayad der Starke nicht der Hellste, oder es herrschten hier eigenartige Gebräuche. »Wir sind fremd hier«, sagte er. »Es mag von Vorteil sein, wenn du uns ein wenig von dem erzählst, was hier geschieht. Ich zahle dir auch dafür gern ein Bier oder zwei.«
»Das ist ein Wort!« brüllte Hayad der Starke und streckte Mythor die Pranke hin. Mythor schlug ein und bemerkte alsbald, dass Hayad es auf eine Kraftprobe ankommen lassen wollte; sie zerdrückten sich gegenseitig zäh die Hände, bis es Sadagar zu bunt wurde.
»Habt ihr bis morgen früh Zeit?« fragte er mürrisch. »Dann könnt ihr euch ja weiter zerquetschen. Wir sehen uns inzwischen in der Stadt um!«
»Warte«, knurrte Hayad und ließ Mythors Hand los. »Nicht ohne mir ein Bier ausgegeben zu haben! Lasst uns zur Schenke gehen.«
Mythor stimmte zu. Sie verließen das Zelt, nicht ohne dass Mythor einen bedauernden Blick auf die aufregend langen Beine der jungen Frau geworfen hatte. Auch No-Ango schien interessiert zu sein; er blinzelte ihr kurz zu.
Hayad bemerkte es. »Möchtest du sie haben?« fragte er.
»Langsam, nur nichts überstürzen«, antwortete der Letzte der Rafher, der eine böse Falle hinter dem Angebot witterte. »Lass uns erst einmal das Bier trinken. Und dann erzählst du uns mehr über die Stadt.«
*
Inzwischen hatte sich die Szene auf der anderen Seite des Marktes der Bräute wieder beruhigt. Die beiden
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