Mythor - 049 - Der Drachensee
der begradigten Wand des Raumes zeichnete sich schwarz und scharfrandig die Silhouette des Stummen Großen ab.
Flüsterhand hob die Hände.
Er trug seinen Namen zu Recht. Seine Gesten waren so knapp und spärlich, dass sie im Vergleich zum Fingerspiel seiner Freunde wie ein Flüstern wirkten.
»Du bist Mythor, der Sohn des Kometen?«
»Ich bin es«, antwortete Mythor. »Dies sind meine drei Gefährten.«
Flüsterhand gab durch eine sparsame Geste zu verstehen, dass ihn das nicht interessiere.
»Du willst nach Logghard?«
Es war der Schweigsame, der die spärlichen Gesten des Stummen Großen von der Wand ablas und mit verblüffender Genauigkeit zu deuten vermochte.
»Nicht unbedingt«, sagte Mythor. Bevor er weitere Auskünfte erteilte, wolle er wissen, was der Stumme Große von ihm wollte.
»Du musst dich sputen, Mythor«, ließ Flüsterhand sagen. »In Logghard wirst du gebraucht.«
»Das gilt auch für andere Orte«, meinte Mythor.
»Es eilt«, gab Flüsterhand zu bedenken. »Und ich könnte dir helfen, dein Ziel rasch und sicher zu erreichen.«
»Wie?«
»Der Hohe Ruf wird dich nach Logghard befördern«, versprach Flüsterhand.
Mythor überlegte nicht lange. Logghard war unter diesen Umständen sehr leicht erreicht.
»Zusammen mit meinen Gefährten?«
»Ohne sie«, sagte Flüsterhand. Die Geste war so eindeutig, dass auch Mythor sie interpretieren konnte.
Mythor antwortete ebenfalls mit einer Geste, auch diese Handbewegung war so eindeutig, dass jeder sie verstehen konnte. »Ausgeschlossen«, besagte Mythors Geste.
»Der Hohe Ruf kostet Kraft«, gab Flüsterhand zu verstehen. »Sehr viel Kraft sogar. Ich kann dich mittels des Hohen Rufes nach Logghard bringen, aber es ist mir nicht möglich, dies mit deinen Gefährten zu tun.«
»Dann werden wir hierbleiben«, sagte Mythor. Er stand auf und gab ein Zeichen, dass er die Unterhaltung als beendet ansah. Der Stumme Große rührte sich nicht.
Mythor wartete noch einen kurzen Augenblick lang, dann verließ er den Raum.
Der Schweigsame setzte ihm nach, mit allen Zeichen des Entsetzens.
»So kannst du mit einem Stummen Großen nicht sprechen!« rief er voller Empörung.
»Ich kann«, sagte Mythor trocken. »Du hast es gehört. Führe uns zum Boot zurück!«
»Es ist Frevel«, ereiferte sich der Diener des Stummen Großen. »Die Mächte des Lichtes werden dich dafür furchtbar strafen!«
»Ich werde die Bestrafung auszuhalten wissen, falls sie vollzogen wird«, gab Mythor zurück.
Tjubal schritt neben Mythor und schluckte.
»Du weißt genau, was du tust?« fragte Tjubal besorgt.
»Ich weiß es«, bestätigte Mythor. »Zudem gibt es für mich einen wichtigen Grund, es nicht zu überstürzen, in Logghard anzukommen. Ich bin ohne die Waffen des Lichtboten kaum mehr als ein normaler Kämpfer unter vielen.«
»Du hoffst, dass Flüsterhand…?«
»Er weiß vielleicht etwas«, antwortete Mythor. »Er könnte mir nützliche Hinweise geben.«
Der Ausgang war erreicht. Mythor stieg wieder in den Nachen. Sadagar, Hrobon und No-Ango folgten. Auch Tjubal nahm in dem Nachen Platz.
»Kehr um, bevor es zu spät ist!« mahnte der Diener des Stummen Großen. »Rede mit ihm, tu, was er sagt.«
»Ich werde mich bald wieder bei Flüsterhand melden«, sagte Mythor.
Das Boot stieß ab.
Mythor überlegte während der Fahrt, was sich nun abspielen konnte. Es galt, auf alle Fährnisse und Möglichkeiten eingerichtet zu sein. Da war die Tatsache, dass Drudins Todesreiter sich bei den Drachenanbetern herumtrieben. Galt ihr Erscheinen nur ihm allein? Schwerlich, es musste auch andere Gründe geben.
Die Anwesenheit der riesigen Drachenschwärme – Zufall oder Absicht? Mythor ahnte, dass es sehr bald zu einem erbitterten Kampf kommen würde, zu einer regelrechten Schlacht um die Vorherrschaft auf dem Drachensee. Wenn die Drachenanbeter angriffen und dabei Unterstützung bekamen von den Drachen, dann hatten die Drachentöter bei aller Tapferkeit keine Aussicht, diese Schlacht zu gewinnen.
Kam es zum Kampf – und Mythor hielt ihn nun, da Herzog Krudes Tod den Hass der Todesreiter noch weiter entfacht haben musste, für nahezu unvermeidlich –, dann wurde die Lage auch für den Stummen Großen Flüsterhand gefährlich. Er wäre nicht der erste seiner Art gewesen, der eine Begegnung mit Drudins tödlichen Reitern bitter gebüßt hätte.
Mythor beschloss, noch ein paar Stunden zu warten. Kam es innerhalb dieser Zeit zum Angriff der Drachenanbeter, dann wollte er
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