Mythor - 074 - Das Fest der Masken
hagere Frau trat ein. Ihr Gesicht wurde von dichten, undurchdringlichen Schleiern verhüllt.
Die Frau sah Mythor aus dunklen Augen an und hob eine Hand. Der Gorganer sah schwere Ringe an den Fingern, wie bei einer Hexe, und doch war diese Frau mit Sicherheit keine Hexe. Vielleicht besaß sie die gleichen Kenntnisse der magischen Künste wie die Hexengehilfen, die Aasen, und hatte diese Kenntnisse vielleicht auf gleiche Weise erworben. Dennoch war der Gorganer sofort beeindruckt.
„Odam“, sagte die Maskenbildnerin. „Du bist Prinz Odam.“
*
„Ich habe Durst“, murrte Gerrek. „Fürchterlichen Durst. Ich verbrenne. Ich glaube, ich habe mein eigenes Feuer geschluckt.“
„Es war wohl eher Feuerwasser“, behauptete Lankohr.
Der Beuteldrache stemmte sich hoch. „Oh, ist mir übel“, stellte er fest. „Alles dreht sich. Wer hämmert da in meinem Schädel herum? Er soll das lassen.“
Scida sah Lankohr streng an. Sie und der Aase waren in Gerreks Nähe geblieben, während die anderen sich zerstreut hatten, um sich zu amüsieren.
„Feuerwasser? Was ist das?“
„In einer der Schänken wird es verkauft“, sagte Lankohr und zog etwas den Kopf ein. „Es ist ein berauschendes Getränk. Kein Wein, sondern etwas ganz anderes. Es sieht aus wie Wasser und brennt auf der Zunge wie Feuer.“
„Genau das“, murrte Gerrek unzufrieden, „war es. Oh, ist mir schlecht…“ Er preßte beide Hände an den Kopf und versuchte sich zu erheben, setzte sich aber sofort wieder. „Nein… ich zerspringe! Nie wieder fasse ich dieses dämonische Gesöff an! Lankohr, besorge mir noch etwas davon. Zum Nachspülen! Ich verbrenne ja!“
„Ganz recht“, keifte Lankohr. „Man soll immer mit dem zu trinken beginnen, womit man aufgehört hat, und nach ein paar Schluck bist du wieder so voll wie Vangas Meere…“
„Weg da!“ keuchte Gerrek. „Ich glaube, ich muß speien.“
„Bitte kein Feuer… und nicht hier im Raum! Geh hinaus ans Wasser!“ verlangte Lankohr.
Gerrek ließ sich auf alle viere nieder und kroch zur Tür. „Alles dreht sich“, klagte er. „Oh, Nucrilia, was hast du mir da für den verdammten Fisch gegeben…“
Scida horchte auf. Vorhin, als er noch schlief, hatte Gerrek auch schon einmal diesen Namen erwähnt. „Wer ist Nucrilia?“ fragte sie mißtrauisch.
„Die schönste Frau der Welt“, sang Gerrek entzückt, wieselte zur Tür hinaus und wetzte zum Rand des großes Blattes, wo das Wasser begann. Dort opferte er den Fischen.
„Richtig lustig sieht er aus, wenn er so auf allen vieren läuft“, bemerkte Lankohr. „Wie ein richtiger Drache.“
„Wenn du betrunken bist, siehst du auch lustig aus“, fuhr Scida ihn an.
Nach einer Weile kehrte Gerrek zurück. Seine purpurne Lederhaut, mit gelben Schecken übersät, aus denen schwarze, filzige Haarbüschel wuchsen, wirkte irgendwie durchgehend grün.
Es ging ihm jetzt offensichtlich besser. Mit einem Stöhnlaut ließ er sich in eine Stuhl fallen, knurrte, weil er sich dabei den Schwanz geklemmt hatte, und verstaute diesen dann irgendwie seitlich neben sich. Aber er saß recht ungemütlich.
„Wer ist Nucrilia?“ wiederholte Scida ihre Frage.
„Eine Händlerin“, sagte Gerrek. „Sie reist wie wir mit Hanquon nach Süden. Wir haben einen Handel abgeschlossen. Ich fange für sie gebratene Fische, und sie… oh, mir wird schon wieder so wunderlich…“
„Beherrsche dich“, verlangte Scida. „Und sie gibt dir dafür diesen scharfen Trunk, der die Sinne vernebelt?“
„Der glücklich macht“, widersprach Gerrek. „Ach, ich…“
„Du Troll“, fauchte die Amazone. „Diesen Handel wirst du ganz schnell wieder vergessen.“
„Aber warum?“ klagte Gerrek. „Mit welchem Recht verbietest du mir…“
„Mit diesem Recht“, sagte Scida und klopfte auf ihre Schwertgriffe. „Vergiß nicht, daß ich hier die Befehle gebe und nicht du. Also wirst du tun, was ich sage, oder wir werden morgen gebratenen Beuteldrachen speisen.“
„Das wäre Mord“, protestierte Gerrek.
„Wenn du dich an meine Anweisungen hältst, wirst du es überleben“, stellte Scida fest.
Sie verließ die Unterkunft. Draußen begann es zu dunkeln. Zögernd kam die Nacht. Irgendwo war Mythor zu den Maskenbildnerinnen unterwegs oder schon bei ihnen. Scida beschloß, ihm entgegenzugehen, wenn er zurückkehrte.
„Nucrilia“, murmelte sie den Namen der Händlerin leise vor sich hin. Sie war sehr nachdenklich geworden.
*
„Woher weißt du das?“ fuhr
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