Mythor - 074 - Das Fest der Masken
absichtlich trunken gemacht. Sie wird ihn ausgehorcht haben. Nun, viel kann sie von ihm nicht erfahren haben, aber…“
„Sie wird harmlos sein. Du siehst Geister“, sagte Mythor.
Scida betrachtete nachdenklich ihre Faust.
„Sie hatte einen harten Rücken“, sagte sie. „Zu hart für den Rücken eines Weibes, das vom Handel lebt. Ich möchte fast annehmen, auf den Rücken einer Kriegerin geschlagen zu haben…“
*
Nucrilia sah den beiden finster nach. Der Schlag gegen den Rücken war nicht schmerzhaft gewesen, aber überraschend. Die Fette ballte die Fäuste.
Für diesen Schlag wirst du bezahlen, dachte sie grimmig. Bei Zaem!
Scida hatte ihre Absicht vereitelt. Aber es würde auch noch andere Möglichkeiten geben, das zu erfahren, was sie wissen wollte.
Wie ein Schatten verschwand sie in der Dunkelheit zwischen Blättern und Schmarozerblüten.
Spätestens beim Fest der Masken würde es soweit sein.
Und Nucrilia strich durch das Dunkel, lauschte den Stimmen nach, bis sie die richtigen Stimmen vernahm…
3.
Spät in der Nacht schreckten drei Frauen auf, als die Tür der Unterkunft aufflog, die sie zu viert gemeinsam bewohnten. Sie war groß und durch Trennwände mehrfach unterteilt, aber sie hatten es sich, als sie Hanquon betraten, ausbedungen, zusammenzubleiben.
„Ganz ruhig bleiben“, mahnte die vierte, die eingetreten war. Eine Kerze glomm auf und zeichnete ihre Umrisse nach. Der Schatten tanzte wild an den Wänden.
„Hattest du Erfolg?“
„Ja und nein“, sagte die vierte. „Ich fürchte, daß Scida, die Alte, mich durchschaute, doch vielleicht wird man ihr nicht glauben. Morgen erreichen wir Colonge. Dort können wir zuschlagen, und wenn auch das nicht gelingt, so habe ich in Erfahrung gebracht, welche Masken sie beim Fest tragen werden.“
Die drei Amazonen sprangen auf. „Wie das, Nucrilia?“
Die fette Frau setzte sich auf ihr Lager, vergewisserte sich mit einem Blick zur Tür, daß diese auch wirklich hinter ihr wieder geschlossen war, und dämpfte ihre Stimme. Es mochte sein, daß sie nicht die einzige Lauscherin in dieser Nacht war…
„Ich machte Gerrek heute trunken. Er wußte nichts, aber es gab eine Lagebesprechung der Gesuchten, an der er dadurch nicht teilnehmen konnte. Der Aase informierte ihn am Abend, und ich belauschte die beiden. Sie waren so dumm, sich untereinander abzusprechen, so daß jeder von ihnen weiß, welche Maske der andere tragen wird. Und ich hörte mit.“
Kurz zählte sie die Masken und deren Aussehen auf.
„Scida als Fronja… diese alte Närrin!“ zischte eine der Kriegerinnen.
„Vielleicht gelingt es schon vorher, am morgigen Tag, sie in unsere Gewalt zu bekommen. Hanquon wird Colonge aufsuchen. Und ich denke, daß es eine Möglichkeit geben wird, das Los zu beeinflussen.“
Die anderen stimmten zu. „So soll es sein! Niez wird mit uns zufrieden sein.“
Nucrilia dämpfte ihre Sicherheit. „Zu lange schon haben wir nicht mehr hart gekämpft, die anderen jedoch ständig. Wir dürfen sie nicht unterschätzen. Der Krieg der Hexen, der uns zu Zuschauerinnen machte, hat uns träge gemacht.“
Widerspruch regte sich. „Ach, Kalisse und ihre Amazonen sind auch träge geworden. Noraele ist eine Hexe, der Aase und Honga zählen nicht, Gerrek ist ein Tolpatsch… im Grunde haben wir es nur mit Scida zu tun.“
„Dennoch ist es ratsam, vorsichtig zu sein. Wie ich hörte, kämpft Honga nach unserer Art.“
„Wir werden sehen…“
*
„Wir ändern den Kurs“, sagte Lankohr.
Die Schwimmende Stadt näherte sich der Insel Naudron. Hatte sie bislang einen annähernd gleichgebliebenen Abstand von der Insel gehalten, nachdem die engste Stelle zwischen Naudron und Gavanque hinter ihnen lag, so änderte sich der Abstand jetzt – er verringerte sich, und vor ihnen tauchte an der Küste eine Stadt auf.
„Möchte wissen, wie die Lumenia gelenkt wird“, murmelte Mythor. „Der Wind steht doch ganz anders…“
Sie standen auf einer Aussichtswarte des vierten Stockes. Von hier oben hatte man bereits eine ziemlich gute Aussicht, wenn man auch nicht viel von dem sah, was sich unterhalb abspielte.
Sie verbrachten einen Teil des Tages damit, die Schwimmende Stadt zu erforschen. Sie zeigte sich ihren Gästen von der friedlichen Seite, aber gerade das machte Scida und Mythor mißtrauisch. Es schien einfach keine Gefahren zu geben, und selbst die fette Händlerin Nucrilia schien sich Scidas Warnung zu Herzen genommen haben und ließ sich nicht
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