Mythor - 074 - Das Fest der Masken
Tür. Er bewegte sich dorthin, öffnete sie und sah im Licht der Abenddämmerung den Riegel, der über ein Zugseil bewegt werden konnte. Er trat ins Freie.
Über das breite Blatt schlenderte eine wohlbeleibte, um nicht zu sagen fette Frau an den Hütten vorbei und sah ihn herauskommen. Natürlich würde sie, selbst wenn er maskiert hineingegangen wäre, nicht wissen können, welche Maske er getragen hätte. Er neigte leicht den Kopf zum Gruß.
„Welch ein Zufall“, sagte die Fette und watschelte auf ihn zu. „Bist du nicht Honga, der Freund des Beuteldrachen?“
Er nickte überrascht. „Ja“, gestand er. „Ich kann’s nicht leugnen.“
„Ich bin Nucrilia“, sagte die Dicke. „Komm, ich möchte etwas mit dir bereden.“
*
Mythor war erstaunt. Eine Frau, die etwas mit ihm bereden wollte? Warum nicht befehlen, wie es in Vanga üblich war?
„Worum geht es?“ fragte er, während die dicke Frau ihn zum Rand des Blattes führte, das kaum merklich auf und ab schwang. Vor ihnen tauchte ein anderes Blatt in der Dämmerung auf. Es lag etwas über diesem, und ein leichtes schabendes Geräusch klang durch den Abend.
„Um Gerrek?“
„Eigentlich schon… ja“, sagte die fette Nucrilia. „Du mußt wissen, daß ich Händlerin in. Ich bin Gast in Hanquon wie auch du und deine Begleitung, Honga. Ich handle mit Genußmitteln, und ich habe heute mit deinem Freund einen Handel abgeschlossen.“
„Oh, nein“, murmelte Mythor. Wenn Gerrek einen Handel abschloß…
„O doch“, sagte die Händlerin. „Und nun mache ich mir Vorwürfe. Ich verkaufte ihm ein feuriges Getränk, das, in Maßen genossen, dem Geist Flügel verleiht…“
„Ach du dicker Entersegler“, entfuhr es Mythor. „Flügel! Ausgerechnet Flügel!“ Er lachte. „Verzeih, aber du kannst den Grund meiner Heiterkeit kaum erkennen. Gerrek war früher ein Mann und wurde von einer Hexe verzaubert. Leider vergaß sie dabei, ihm Flügel mitzugeben…“
„Ach so“, machte die Dicke. „Nun, er genoß ein wenig zu viel und wankte volltrunken von dannen. Ich mache mir Vorwürfe. Es ist meine Schuld. Was kann ich tun?“
Sie sah Mythor in die Augen.
Und flog, von einer mächtigen Faust in den Rücken getroffen, in seine reaktionsschnell ausgebreiteten Arme.
*
Scida erschien aus den Schatten der Dämmerung. Selbst Mythor war von ihrem Auftauchen überrascht. Er hatte ihr schleichendes Nahen nicht wahrgenommen, ein Beweis, daß sie trotz ihres hohen Alters noch längst nicht zum alten Eisen zählte. Ihr kräftiger Fausthieb hatte Nucrilia in den Rücken getroffen und gegen Mythor geschleudert. Der Gorganer fing ihren Sturz auf, wirbelte sie mit einer kraftvollen Drehung herum und stand zwischen den beiden. Seine Augen funkelten Scida vorwurfsvoll an.
„He, was soll das“, schrie Nucrilia erbost. Mythor war es, als zuckten ihre Hände zu den Hüften… so, als ob sie Schwerter ziehen wollte! Aber sie war ja nicht bewaffnet, wie sie alle hier in Hanquon keine Waffen trugen. Es war unnötig. Das Oberste Gesetz wachte über den Frieden.
Scida schob Mythor mit einer einfachen Handbewegung zur Seite und blieb vor Nucrilia stehen.
„Du wirst die Finger von Honga lassen“, sagte sie herrisch. „Du wirst ihn in Ruhe lassen und seine Nähe meiden, hast du verstanden, du Fettkloß auf Beinen? Und du wirst auch an Gerrek kein Feuerwasser mehr verkaufen. Merke es dir, wenn du noch eine lange Zeit Handel treiben willst.“
„Rühr mich nicht an“, zischte Nucrilia. „Du weißt, daß Kämpfe verboten sind!“
„In Hanquon“, nickte Scida grimmig. „Aber es könnte sein, daß ich dich auffordere, mit mir die Lumenia zu verlassen, wenn wir in Landnähe kommen. Und dort gilt das Gesetz nicht.“
Nucrilia spie der Amazone vor die Füße.
Scida lächelte kalt. Es war ein Lächeln des Zornes. „Hüte dich vor mir“, warnte sie die Händlerin. „Es gefällt mir nicht, wie du dich an Honga heranmachen willst. Erst Gerrek als Köder, und jetzt er… laß dich nie wieder in seiner Nähe blicken.“
Abrupt wandte sie sich um, gab Mythor einen herrischen Wink und stampfte davon. Ein wenig erstaunt folgte ihr der Gorganer.
„Was sollte das?“ fragte er nach einer Weile, als Nucrilia außer Hörweite war. „Bist du irre geworden? Warum soll ich nicht mit ihr sprechen dürfen?“
„Dein Verstand gefriert“, sagte Scida und blieb stehen. Ihre Hand legte sich schwer auf die Schulter ihres Beutesohns. „Es ist zu verdächtig. Sie hat Gerrek
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