Mythor - 074 - Das Fest der Masken
Mythor auf. „Kannst du Gedanken lesen?“
Die Maskenbildnerin schüttelte den Kopf. „Nein“, erwiderte sie. „Aber ich fühle… ich fühle, daß du Odam sein willst. Ich sehe die Maske vor mir.“
Mythor trat ihr entgegen. „Wenn du es siehst… wer versichert mir dann, daß du dieses Wissen nicht weitergibst? Die Tarnung durch die verschiedenen Eingänge und daß jeweils nur ein Maskenträger in der Werkstatt ist, mag gut sein… aber alles steht und fällt doch mit dir.“
„Mit mir… und den anderen Maskenbildnerinnen. Doch sei unbesorgt, Mann, dessen Namen ich nicht einmal kennen und nicht kennen will. Wir alle schweigen. Unser Eid sichert dich und die anderen Maskenträger. Sollte uns jemand fragen, werden unsere Lippen versiegelt sein.“
Mythor nickte. „Und wenn euch jemand die Spitze des Schwertes auf die Brust setzt?“
„So ist es Gesetz, daß diese Person Hanquon unverzüglich verläßt – in den Fluten des Meeres“, sagte die Maskenbildnerin. Unter dem dichten, undurchdringlichen Schleier klang ihre Stimme seltsam gedämpft. „Niemand wird uns jemals zwingen können, gegen den Eid zu verstoßen. Die Gesetze des Festes der Masken sind unantastbar.“
Mythor nickte. „Dann kann ich zufrieden sein.“
Die Maskenbildnerin wies auf den Stuhl, in dem Mythor gewartet hatte. „Setz dich und beschreibe mir, wie die Maske aussehen soll. Aus deinen Worten und meinem Fühlen werde ich erkennen, wie ich sie anlegen muß.“
„Ist es denn schon soweit?“ wunderte der Gorganer sich. „Beginnt das Fest so bald? Ich wollte mich eigentlich nur erst informieren…“
„Warum nicht sofort die Maske?“ fragte die Frau. „In den letzten beiden Tagen fertigten wir schon viele Larven. Niemand weiß die genaue Stunde, wann die Lumenia in voller Pracht erblüht, und dann müssen alle Masken bereit sein. Sie werden hier in den Werkstätten angelegt und nur hier in den Werkstätten wieder abgenommen. Während der Nacht werden keine Masken benötigt. Man trägt sie nur am Tage.“
Wieder nickte Mythor. Auffordernd sah ihn die Maskenbildnerin an. Ihre Augen, die nicht von dem Schleier verborgen wurden, funkelten leicht.
Mythor begann zu sprechen.
Während er noch das Aussehen des Prinzen Odam schilderte, so gut er sich an ihn erinnerte, trat die Maskenbildnerin dicht zu ihm. Ihre Finger berührten seine Lider und schlossen sie.
„Halte die Augen geschlossen“, sagte sie.
Er fühlte irgendwie, daß etwas geschah, aber er konnte nicht sagen, was es war. Aber etwas legte sich wie ein Tuch über ihn, ohne ihn dabei zu beeinträchtigen.
Die Zeit verrann.
„Du kannst die Augen wieder öffnen“, sagte die Maskenbildnerin plötzlich.
Mythor gehorchte. Er sah, daß sie auf eine große Spiegelfläche zeigte. „Ist dies die Maske, die du wünschst?“
Er stand auf. Das Fackellicht der Werkstatt reichte aus, daß er sich betrachten konnte.
Sich?
Er betrachtete Prinz Odam, der sich ihm im Spiegel zeigte. Die Maske war vollkommen. Mythor glaubte dem Prinzen direkt gegenüberzustehen wie damals, in den Staubschleiern, die auf Köpfen und Händen Schlackemasken bildeten, die die steinernen Schwerter wachsen ließen.
„Phantastisch“, keuchte er. „Das… das ist unglaublich!“
„Du gabst ein gutes Bild“, sagte die Maskenbildnerin. „So wie jetzt wird die Maske stets sein, wenn ich sie dir anlege. Doch nun werden wir sie wieder entfernen, denn noch ist das Fest der Masken noch nicht gekommen.“
Er hatte wieder die Augen zu schließen, und irgend etwas, das federleicht war und das er kaum gespürt hatte, wurde wieder von ihm genommen. Als er die Augen wieder öffnete, rollte die Maskenbildnerin etwas zusammen. „Wenn es soweit ist, wirst du wieder zu mir kommen, und ich lege dir die Maske an.“ Sie legte das Bündel in ein Fach. Es gab eine ganze Reihe dieser Fächer, und nur wenige waren noch leer. „Mach dein Zeichen daran, daß du sie wiedererkennst“, verlangte die Maskenbildnerin.
Mythor ergriff ein Kreidestück und malte ein seltsames Muster an die kleine Holztafel vor dem Fach.
„Bis bald“, sagte die Maskenbildnerin und verschwand.
Wenig später tauchte die ältere Frau wieder auf, die den Gorganer hergeführt hatte, und geleitete ihn durch einen anderen Gang in ein anderes Hüttenzimmer. „Du wirst hier warten, bis die Tür sich von selbst entriegelt“, wies sie ihn an.
Mythor blieb in der Dunkelheit zurück.
Nach einiger Zeit erklang ein scharrendes Geräusch an der
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