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Mythor - 087 - Der Hexenhain

Mythor - 087 - Der Hexenhain

Titel: Mythor - 087 - Der Hexenhain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Paul
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wäre.
    Nein! Ich würde kämpfen, solange noch die Kraft in mir war, mich gegen ein solches Schicksal zu wehren. Aber diese Kraft erlahmte. Das Spinnengift fraß sie auf. Und Faden um Faden, Lage um Lage, wurde mein Körper in das Netz der emsigen Spinnen verpackt.
    In mir wurde alles abgestumpft. Ich wohnte in meinem Leib wie in einem Fremdkörper. Mein Geist dämmerte dahin.

9.
    Vilge kam mit einer Öllampe. Ich sah sie zuerst nur durch ein Geflecht glitzernder Fäden. Aber sie zischte etwas, machte mit den Fingern irgendwelche Zeichen in die Luft, und dann huschten vielbeinige Körper über mein Gesicht, das so gefühllos war, daß ich vor dieser Berührung nicht einmal Ekel empfand.
    Endlich lagen meine Augen wieder frei, ich konnte Vilge deutlich sehen. Sie war eine faszinierendere Erscheinung, als ich sie in Erinnerung hatte. Ich vermute, daß der Ausdruck meines Gesichts und der Blick meiner Augen meine Gedanken verriet, denn sie sagte:
    »Liebe macht jede Frau schön.«
    Es klang in keiner Weise spöttisch, war aber doch fehl am Platz.
    Sie hatte eine Schale mit Körner bei sich, die sie mit den Fingern herausholte und mir in den Mund schob. Ich konnte kauen, schluckte. Als ich jedoch sprechen wollte, kam kein Ton über meine Lippen.
    »Pst«, machte sie. »Du brauchst nichts zu sagen. Wir haben alle Zeit der Welt für uns. Ich bin nun sicher, daß du dich für mich entscheiden wirst.«
    Sie sah mich prüfend an, berührte mit den Fingern meine Lippen und verlangte dann:
    »Sprich meinen Namen.«
    »Fronja«, brachte ich hervor.
    Sie wurde wütend, ließ ihre Hände unsichtbare Zeichen in die Luft schreiben und ging fort. Die Öllampe ließ sie zurück. In ihrem Schein konnte ich die Spinnen deutlich sehen, die durch das grottenähnliche Gewölbe huschten. Es waren buntschillernde Spinnen, mit fetten Körpern, die kindskopfgroß waren. Aber ich konnte keinen Ekel empfinden. Sie fielen im Dutzend über mich her und umspannen mein Gesicht.
*
    Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis Vilge mich wieder besuchte.
    »Die Nacht ist noch nicht zu Ende«, erklärte sie, als sie die Spinnen mein Gesichtsnetz beseitigen ließ. »Ich muß mich nun Tertishs annehmen und sie aus ihren süßen, magischen Träumen wecken. Bisher hatte ich noch keine Gelegenheit, mich um sie zu kümmern. Nun muß ich es tun. Ich will gnädig zu ihr sein und ihr im Tode die Illusion geben, das Ritual, wie am Letzten Ort gelobt, an sich vollzogen zu haben. Bist du einverstanden, Mythor?«
    Ich konnte nicht sprechen, und sie tat auch nichts dazu, um meine Mundsperre aufzuheben.
    Sie sah mich eine Weile nur an, dann sagte sie:
    »Ich habe mich mit Caerylls Bericht beschäftigt. Der Zauberkristall ermöglichte auch mir, die Runen zu entziffern. Soll ich dir erzählen, was sie bedeuten? Aber nein, früher oder später wirst du wieder frei sein und kannst den Bericht selbst lesen. Weißt du, was ein Alptraumritter ist?«
    Diesmal berührte sie sanft meine Lippen, so daß ich sprechen konnte.
    »Ich habe einen Alptraumritter gekannt«, sagte ich bedächtig. »Er hieß Coerl O’Marn. Zumindest hat man von ihm gesagt, daß er zu den aussterbenden Alptraumrittern gehöre. So wie ihn stelle ich mir einen Mann wie Caeryll vor.«
    »Wir werden das alles gemeinsam durchgehen«, versprach sie mir. »Aber zuerst kommt Tertish an die Reihe.«
    Kaum war sie gegangen, da erlosch die Öllampe. Finsternis war wieder um mich. Und aus dieser kamen die Spinnen, um mich in ihr Gespinst zu weben.
*
    Die Tür flog auf, und Vilge kam hereingestürzt. Diesmal rief sie nicht erst die Spinnen, damit sie mich von meinem Gesichtsnetz befreiten. Sondern sie stürzte auf mich zu und zerriß die Fäden mit ihren Fingern.
    »Mythor!« rief sie voll Entsetzen. »Es ist etwas Ungeheuerliches passiert. Tertish ist verschwunden. Ich weiß nicht, wie sie wachgekommen ist. Wir beide müssen fliehen.«
    Hinter ihr war ein Poltern. Der flackernde Schein einer Fackel fiel ins Gewölbe, und eine gerüstete Gestalt drang herein. Die Fackel beschrieb einige wirbelnde Bewegungen und flog dann durch die Luft. Sie blieb in einem Spinnennetz hängen und ließ es knisternd verpuffen.
    Ein zorniger Aufschrei erklang.
    Vilge drehte sich nicht um. Sie klammerte sich an mich, ungeachtet dessen, daß sie sich selbst in dem Spinnennetz verfing.
    »Mythor«, flehte mich Vilge an. »Du mußt für mich sprechen…«
    Das waren ihre letzten Worte. Ich sah noch, wie sich ihre Lippen spitzten, als wolle sie

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