Mythor - 095 - Die Zaubermütter
gehen.
Er marschierte etwas mehr als eine Stunde, bis er endlich ein lebendes Wesen zu sehen bekam.
Eine Gestalt ragte gegen den grauen Himmel, umwallt von einem dunkelbraunen Mantel, um den Gerrek den Vermummten sofort beneidete. Im Näherkommen erkannte Gerrek, daß es sich um eine Hexe handelte, die offenbar Wache hielt.
Die Frau verharrte auf ihrem Posten, bis Gerrek herangekommen war. Dann hob sie lediglich gebieterisch die Hand. Der Beuteldrache hielt an.
»Woher? Wohin? Warum?«
Gerrek amüsierte sich im stillen über soviel Mundfaulheit. Er beschloß, es der Hexe gleichzutun. Er deutete rückwärts über die Schulter, dann nach vorn. Die dritte Frage beantwortete er mit einem Schulterzucken.
»Nein«, sagte die Hexe einfach.
Gerrek zuckte abermals mit den Schultern, dann setzte er seinen Weg fort.
Ein glitzerndes Etwas, das plötzlich vor ihm auftauchte, hielt ihn zurück. Das Etwas sah aus wie ein gemeingefährlicher Hund, bestand aber zur Gänze aus glitzernden Eiskristallen. Es fiel Gerrek nicht schwer, in der zähnebleckenden Kreatur ein Geschöpf der Hexe zu erkennen.
Die Hexe rührte sich nicht. Von ihr war fast nichts zu sehen - die Füße staken in dunkelbraunen Fellschuhen, der Mantel bedeckte den Körper, und das Gesicht verschwand fast gänzlich unter einer ebenfalls dunkelbraunen Kapuze. Hohl klang die Stimme darunter hervor.
»Zurück!«
»Ich suche eine Freundin, eine Amazone namens Scida - sie müßte hier vorbeigekommen sein.«
»In der Tat!«
Die Hexe reagierte, indem sie ihrem kläffenden Werkzeug ein zweites Exemplar hinzufügte. Die beiden Biester schnappten nach Gerreks Beinen, erwischten ihn aber noch nicht.
»Was habt ihr mit Scida gemacht?« fragte Gerrek. »Wo ist sie?«
»Sicher verwahrt«, antwortete die Hexe. »Spionin von Zaems Zacke.«
»Wir haben keinerlei böse Absichten«, sagte Gerrek. »Du mußt uns glauben.«
»Pah!«
Ein dritter Eishund erschien vor Gerrek.
»Pah«, sagte nun der, und einen Augenblick später lagen die drei Magietiere zerschmolzen auf dem Boden.
Gerrek macht eine wegwerfende Geste.
»Und jetzt laß mich durch«, forderte er.
»Nein!«
»Beim Hexenhammer!« stieß Gerrek hervor. »Weib, du bist entsetzlich stur.«
Die Hexe reagierte nicht auf den Vorwurf.
»Und wie soll dieses Spiel nun weitergehen?« fragte Gerrek. »Soll ich mir die Füße abfrieren?«
»Warten«, beschied ihm die Hexe. »Ablösung kommt.«
»Wann?«
»Bald!«
Gerrek seufzte. Er dachte an seine Zauberflöte, fügte sich dann aber in sein Schicksal.
Er ging langsam zu der Hexe hinüber.
»Mir ist kalt«, sagte er. »Laß mich unter deinen Mantel!«
»Was fällt dir ein?« fragte die Hexe. »Bist du übergeschnappt, solche Fragen zu stellen? Schämst du dich gar nicht, mir mit solchem Ansinnen zu kommen? Wo hätte…«
Gerrek hob beide Arme.
»Vergiß es«, sagte er resignierend.
Er hockte sich im Windschatten der Hexe auf den Boden. Dieser Tag gefiel ihm ganz und gar nicht - ein Mißgeschick folgte dem nächsten. Dieser gesamte Hexenstern war offenkundig ein Platz des Unheils.
Es war langweilig, einfach dort zu hocken und zu warten. Zu sehen gab es buchstäblich nichts - eine weißgraue Eisbrücke, überspannt von einem dunkelgrauen Wolkenhimmel. Die Hexe im braunen Mantel stellte in dieser Einöde den einzigen Farbtupfer dar, und der war nicht besonders einladend.
Nach einer Zeit, die Gerrek endlos erschien, kamen andere Gestalten heran.
Die Hexe verkündete, was Gerrek bereits vermutet hatte.
»Ablösung«, sagte sie.
Es war eine Zehntschaft von Amazonen und Hexen, die sich näherten. Die Mienen waren leidlich freundlich, aber auch voller Mißtrauen.
»Den oder das, das weiß man nicht so genau, habe ich angehalten. Er oder es oder sie…«
»Ich bin ein Beuteldrache«, stellte Gerrek klar.
»Er sucht die Frau, die wir aufgegriffen haben«, sagte die Hexe.
»Das kann er haben«, stieß die Anführerin des kleinen Trupps hervor. »Wir nehmen ihn mit. Vorwärts, Beuteldrache, und wehe dir, wenn du nicht die Wahrheit gesagt hast.«
»Was dann?« fragte Gerrek vorsichtshalber.
»Das wirst du erleben«, drohte die Amazone. »Los, setze dich in Bewegung.«
Gerrek seufzte und gehorchte. Beuteldrachen hatten es auf Vanga manchmal fast so schwer wie Männer, dachte er betrübt.
5.
Der Würfel kollerte über den Boden und blieb liegen.
»Verloren«, murmelte Mescal.
Seit Stunden spielte er gegen sich selbst - ohne diese Beschäftigung wäre er
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