Mythor - 095 - Die Zaubermütter
vermutlich wahnsinnig geworden vor Langeweile.
Traurigkeit erfüllte den Geschaffenen, tiefe Niedergeschlagenheit. Er fühlte sich überflüssig, ausgestoßen.
Vor allem wußte er gar nicht, was um ihn herum geschah. Nachdem er jahrelang auf der einsamen Insel gelebt hatte, hatte man ihn vor kurzem in ein Luftschiff verfrachtet und hierher gebracht. Mescal hatte aber längst jede Hoffnung verloren, eines Tages zu Großem berufen zu sein - tief in seinem Innern fraß die Verzweiflung an ihm, bohrte und nagte und schuf ihm das peinigende Gefühl, hoffnungslos und überflüssig zu sein, ein fleischgewordener Fehlschlag.
Scotia - seine alte Vertraute - wieviel Ärger hatte er ihr bereitet in all den Jahren - war auf der Insel zurückgeblieben. Einige von Zahdas anderen Hexen kümmerten sich ab und zu um Mescal. Ansonsten durfte er sich in Zahdas Palast aufhalten und sich die Zeit vertreiben.
Und Zeit hatte er im Überfluß. Es gab nichts für ihn zu tun.
Wieder rollte der Würfel.
»Abermals verloren.«
Mescal hatte jede Zuversicht eingebüßt. Er bestand nur noch aus innerem Schmerz, dem er keinen Ausdruck zu geben vermochte. Tagelang hatte er mit niemandem gesprochen - es war, als entferne sich jeder Gesprächspartner von ihm. Bei Weibern wie bei Männern gleichermaßen unbeliebt, quälte sich Mescal durch Tage und Nächte innerer Einsamkeit.
Der dritte Wurf in Folge brachte die dritte Niederlage. Mescal nahm den beinernen Würfel und schleuderte ihn fort. Er war des Spielens überdrüssig.
Mescal verließ den Raum.
Der Bezirk von Zahdas Palast, den man ihm zugewiesen hatte, war nicht annähernd so angenehm und freundlich wie Mescals Quartier auf der Insel. Hatte das etwas zu sagen? Hatte man ihn am Ende nur deshalb hierher geschafft, um das fehlgeschlagene Experiment zu beenden - mithin: ihn zu töten?
Mescal lehnte gegen eine Wand.
Tränen stiegen ihm in die Augen, aber er würgte das Weinen herunter - er setzte die spärlichen Reste seiner harten Weiblichkeit dazu ein, die raren Krümel sanfter Männlichkeit abzuwürgen, herunterzuschlucken, abzutöten. Daß dieses Unterfangen im Keim verfehlt war, begriff er nicht; er hätte mit der Einsicht auch wenig anzufangen gewußt.
Er ging weiter.
Von irgendwoher erklang Gelächter, und das schmerzte Mescal. Er hatte seit langem nicht mehr gelacht - und auch dann war es mehr ein hämisch-boshaftes Kichern gewesen als ein befreiendes, gelöstes Gelächter. Zahda würde wenig Mühe haben, Mescal zu töten - innerlich war er bereits weitgehend abgestorben, nicht Meister seines Schicksals, vielmehr gebeutelt und getrieben von innerer Unrast und Haltlosigkeit. Hatte unter diesen Umständen das Leben überhaupt noch einen Sinn?
Mescal beschloß, dem Gelächter nachzugehen.
Vielleicht gab es eine Gelegenheit, einen Streich auszuhecken - und Mescal spürte im gleichen Augenblick, wie albern dieser Gedanke war. Aber er wagte es nicht, mit ruhiger Entschlossenheit aufzutreten. Maske war sein Lebenselement, überall verstellte er sich, täuschte und log er - und er war vermutlich der einzige auf ganz Vanga, der all diese Täuschungen glaubte und danach handelte.
Vorsichtig schlich sich Mescal näher.
Er wußte, daß draußen auf den Zacken des Hexensterns wilder Kampf tobte. Zaems schwerterprobte Kämpferinnen überzogen den Hexenstern mit eherner Gewalt. Zahda hatte, wie Mescal zufällig wußte, eine Reihe von Wachen aufgestellt, Hexen und Amazonen, die ihren Bereich vor Zaems Zudringlichkeiten schützen sollten.
»Ihr seid Spione, gebt es doch zu!«
Die Wächterinnen hatten offenbar jemanden gefangen. Mescal schlich sich heran.
Er fand eine Nische, drückte sich hinein. Durch eine Ritze konnte er sehen, was in dem Raum geschah.
Es waren fast zwanzig Hexen und Amazonen, und sie umringten zwei Gestalten - eine Amazone und ein seltsames Mischwesen, das Mescal sofort faszinierte.
»Stellt uns auf die Probe«, sagte die Amazone.
»Warum?« erkundigte sich ihr seltsamer Gefährte. »Haben wir es nötig, uns vor diesen Frauen zu rechtfertigen? Pah!«
Mescal schauderte vor soviel Dreistigkeit - er hätte dergleichen zwar auch zuwege gebracht, aber nur, wenn die Machtverhältnisse eindeutig zu seinen Gunsten gesprochen hatten. In solcher Zwangslage eine derartige Sprache zu führen… das hätte Mescal nicht vermocht.
»Wir werden herausfinden, ob ihr lügt, dessen könnt ihr gewiß sein«, erklärte die Hexe, die die Befragung der beiden Gefangenen leitete. »Gib
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