Mythor - 100 - Die Tochter des Kometen
und ähnliche Gedanken beschäftigten seinen Geist, während er tatsächlich keine Wahrnehmungen hatte. Der Wirbel um ihn begann sich so rasch zu drehen, bis seine Bewegung nicht mehr auszumachen war. Mythor trieb in einem Nebel, er fühlte kein Gewicht. Er schien zu schweben.
Plötzlich traf ihn etwas wie ein Hammerschlag.
Der Ring - Vinas Ring -, der ihm dazu verholfen hatte, in die Hermexe einzudringen, barst in unzählige Splitter. Sie umschwärmten ihn wie funkelnde Tautropfen, Irrlichtern ähnlich. Aber allmählich versanken sie im Nichts.
Wieder ein Hammerschlag. Mythor krümmte sich und spürte, wie er auf etwas Hartes gedrückt wurde. Auf einmal hatte er wieder Gewicht. Aber sein Körper war ihm ungewohnt schwer, und er hatte an ihm wie an einer ungeheuren Last zu tragen. Er hatte den Eindruck, von der Größe eines Käfers zu sein und die zwei Fuß große Hermexe auf den Schultern tragen zu können.
Doch redete er sich ein, daß seine Sinne ihm nur einen Streich spielten.
Der Boden unter ihm war kalt, und als er das Gesicht dagegen drückte, kühlte das angenehm seine glühend heiße Haut. Das Pochen in seinem Kopf legte sich allmählich, der Schmerz ebbte ab.
Er begann einen Druck gegen seine Rippen zu spüren, und als er die Hände über den Boden gleiten ließ, ertasteten sie Stufen. Ja, so mußte es sein, er lag über die Stufen einer Treppe hingestreckt. In dem Maß, wie der hämmernde Schmerz nachließ, begann er den Druck ihrer Kanten zu spüren.
Er war so müde, daß er am liebsten schlafen wollte. Aber er kämpfte gegen die Müdigkeit an und stemmte sich unter Aufbietung aller Kräfte hoch.
Er dachte an Fronja - und das verlieh ihm Kraft.
War er überhaupt in der Hermexe? Oder hatte ihm Zaem einen Streich gespielt und ihn in irgendein Gefängnis gesteckt?
Vor seinen Augen begann es zu flimmern. Er zwinkerte einige Male, bis durch das erlöschende Flimmern ein unscharfes Bild zu erkennen war. Geräusche drangen an sein Ohr, die sich nur langsam entwirrten. Er glaubte, Stimmen zu hören und den Klang von seltsamen Instrumenten, den Kriegshörnern der Caer ähnlich… irgendwo wurden Trommeln geschlagen. Vor ihm erhob sich eine steinerne Wand. Er kam auf die Beine und stellte fest, daß er auf einer schmalen Wendeltreppe stand. Ein Schwindel drohte ihn zu erfassen, und er lehnte sich gegen die Mittelsäule.
Die Geräusche wurden deutlicher - kamen näher. Nur das monotone Trommeln schien aus gleichbleibender Entfernung zu ihm zu dringen.
Mythor zog die Luft durch die Nase ein - und ihm wurde augenblicklich übel. Ein furchtbarer Gestank, ein Gemisch aus Moder und Verwesung, schlug ihm entgegen. Beim nächsten Atemzug empfand er den ekelerregenden Gestank als stärker. In ihm verkrampfte sich alles, als ihm erneut der Pesthauch entgegenschlug.
Er wickelte sich den Umhang ums Gesicht und verschaffte sich für einige Atemzüge Erleichterung. Aber bald durchdrang der üble Geruch auch den Stoff seines Umhangs.
Von oben war nun ganz deutlich ein vielstimmiges Gemurmel zu hören. Die Stimmen wurden lauter, aber nicht verständlicher. Mythor hatte den Eindruck, daß sich die Unbekannten in einer fremden Sprache unterhielten. Und er war sicher, daß sie den bestialischen Gestank mit sich brachten, der ihm den Atem raubte.
Plötzlich schoß etwas um die Mittelsäule der Wendeltreppe. Ein knisterndes, flatterndes Tuch, aus dem eine grüne Klauenhand ragte. Bevor Mythor noch eine Abwehrbewegung machen konnte, hatte sich die Klaue in seiner Brust verkrallt und zog ihn nach oben.
Mythor tastete verzweifelt nach seinem Schwert und stemmte sich gleichzeitig gegen den Zug der Krallenhand. Er bekam Alton zu fassen und zog es aus der Scheide. Er konnte nun den Pesthauch förmlich sehen, der ihm wie Rauch entgegenschlug. Das Murmeln war nun so eindringlich, daß er einzelne Worte unterscheiden konnte. Aber nun erkannte er ganz eindeutig, daß es sich um Worte einer fremden Sprache handelte.
Er war nahe daran, die Besinnung zu verlieren. Er atmete nun reines Gift, das sich in dichten Schwaden um seinen Kopf legte. Mit letzter Kraft stieß er das Gläserne Schwert in den Nebel vor sich.
Ein unmenschlicher Schrei erklang, als die Klinge etwas Nachgiebiges traf und von dort abglitt und klirrend gegen Stein prallte. Mythor spürte, wie sich der Griff an seinem Gewand lockerte. Er wich zurück und stolperte die Wendeltreppe hinunter.
Hinter ihm gellte immer noch der furchtbare Schrei. Dazu erklang das
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