Mythor - 100 - Die Tochter des Kometen
Gemurmel aus unvorstellbar fremden Kehlen und ein unheimliches Rumoren. Die Geräusche erweckten in ihm den Eindruck, daß sich ihm von dort eine Horde verschiedenartiger Scheusale näherte.
Er ging weiter die Treppe hinunter und merkte bald, daß sich der Gestank verflüchtigte. Allmählich bekam er wieder Luft und atmete kräftig durch.
Was waren das für Geschöpfe gewesen, die den Hauch von Pest um sich hatten und einen giftigen Atem?
Mythor starrte auf die Klinge seines Gläsernen Schwertes. Sie leuchtete nicht, glomm nicht einmal. Und es klebte kein Blut daran. Er mußte sich fragen, ob er seinen Gegner überhaupt getroffen hatte.
Als die Geräusche hinter ihm verklangen und es ihm schien, daß er schon eine Ewigkeit auf der gewundenen Treppe unterwegs war, ohne an ein Ende zu kommen, legte er eine Rast ein. Er versuchte, seine Gedanken zu ordnen und sich über seine Lage klar zu werden. Aber sein Kopf war voll von Fragen, auf die er keine Antwort finden konnte.
»Mythor!« wisperte es von unten. Und wieder: »Mythor!«
*
Er faßte Alton fester, hielt es stoßbereit, als er vorsichtig Stufe um Stufe tiefer stieg. Wer rief ihn?
»Mythor?«
Die Stimme klang krächzend, und obwohl sie aus weiter Ferne zu kommen schien, war sie doch deutlich zu verstehen.
»Mythor!« Jetzt klang es schrill, und es echote: »Mythor, Thor-rhor-thor!«
Ja, ich wäre ein Tor, würde ich dem Ruf folgen, dachte er.
Als er zwei weitere Stufen hinter sich brachte, blieb er vor Überraschung wie angewurzelt stehen. Vor ihm lag ein Treppenabsatz mit einem Torbogen. Danach ging die Wendeltreppe weiter. Hinter dem Ausgang lag ein schmaler, hoher Gang. Mythor blickte vorsichtig hinaus und stellte fest, daß die Mauern in einer Höhe von fünf Körperlängen endeten. Sie wiesen spitze Zinnen auf. Darüber lag freier Raum, aber Mythor sah hoch oben ein, Gewirr von kreuz und quer verlaufenden Treppen. Dazwischen ragten Mauern und Türme und Erker auf. Doch die Treppen, ebenso wie die Türme und Mauern, standen Kopf! Darüber huschten verhüllte Gestalten - alle mit den Köpfen nach unten. Sie verschwanden in irgendwelchen Löchern, als Mythor in die hohle Gasse hinaustrat, die sich vor ihm in der Ferne verlor.
Aber er hatte in einer Entfernung von fünfzig Schritt eine Öffnung in der linken Mauer gesehen, und das gab den Ausschlag. Von der Wendeltreppe war wieder das Murmeln und Raunen, das Tapsen und Schleichen zu hören, so daß es ihm nicht schwerfiel, hinauszutreten. »Mythor!«
Der Ruf kam offenbar von oben. Mythor blickte hinauf und sah über eine der Treppen eine vermummte Gestalt huschen. Plötzlich verlor sie anscheinend den Halt, überschlug sich im Fallen einige Male und landete dann breitbeinig auf den Zinnen über ihm.
Mythor verstand das nicht, denn bei einem Sturz aus solcher Höhe hätte der Körper beim Aufprall zerschellen müssen.
»Mythor!« Es klang jetzt zornig und drohend. Die verhüllte Gestalt stand mit wehenden Umhängen und gespreizten Beinen quer über der hohlen Gasse. Mythor sah es aufblitzen und machte einen Satz nach vorne. Gleich darauf bohrte sich ein Speer hinter ihm in den Boden.
»Mythor!« Dem wütenden Ausruf folgte ein weiterer Speer. Mythor wurde in vollem Lauf gebremst, als die Spitze seinen Umhang durchdrang und ihn an der Stelle festnagelte. Er mußte sich herumdrehen und den Speer aus dem Boden ziehen. Das ging überraschend leicht.
»Mythor!« Die vermummte Gestalt, an der außer wehenden Umhängen nichts zu erkennen war, schleuderte den nächsten Speer. Mythor konnte gerade noch zurückweichen und damit verhindern, daß er durchbohrt wurde. Er holte seinerseits mit der erbeuteten Waffe aus und schleuderte den Speer wuchtig nach oben.
Ein schallendes Gelächter erklang. Mythor sah fassungslos, wie sein Speer langsamer wurde, plötzlich herumkippte und mit ungeheurer Geschwindigkeit auf ihn zurückschoß.
Mit einigen Sprüngen erreichte er die Öffnung in der Mauer und lehnte sich unter dem Torbogen gegen die Wand.
»Mythor!« rief es von oben wieder. Die Stimme klang nun lockend, fast verführerisch. »Mythor!« Ein Stoßseufzer folgte. »Mythor! Mythor!« Es klang sehnsuchtsvoll. »Mythor!« Zuletzt war es die vibrierende Stimme einer Frau. Fronjas?
Mythor blickte kurz nach oben und sah, daß nun vier verhüllte Gestalten mit gespreizten Beinen quer über der hohlen Gasse standen. Die wallenden Umhänge verhüllten sie, aber Mythor hatte dennoch den Eindruck, daß sie
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