Mythor - 135 - Die Unberührbaren
Necron. War es nun sogar zu spät dafür?
Er zog eines seiner Messer aus dem Gürtel und schlug damit gegen das Holz des Mastkorbs. Wieder und wieder drosch er auf das Holz ein, bis endlich Er’Kan den Kopf wandte und zu ihm hinaufsah.
Wild gestikulierend deutete Necron auf das Land, das er gesehen hatte.
Er’Kan verstand. Necron konnte sehen, wie der hünenhafte Kommandant der Doppelaxt alle Kräfte zusammennahm.
»Land in Sicht!« schallte seine Stimme über das Deck.
Necron konnte vom Mastkorb aus sehen, wie die Liegenden zusammenzuckten.
»An die Arbeit, Männer. Jetzt haben wir die Chance, die wir brauchen.«
Necron wußte genau, wovon Er’Kan sprach. Die Aussicht auf Rettung konnte noch einmal die Kräfte freisetzen, ein letztes Aufflackern der Lebensglut – und wenn dann nicht nach sehr kurzer Zeit Wasser und Ruhe gewonnen waren, war es vorbei.
Ein mörderischer Wettlauf hatte begonnen.
5.
»Raus mit den Haken!« rief Er’Kan.
Was er in Gang gesetzt hatte, war ein Schauspiel, das jedem Beobachter die Haare gekräuselt hätte.
Die Mannschaft der Doppelaxt war damit beschäftigt zu angeln – die letzten Vorräte waren an Haken befestigt worden und hingen in das Wasser hinab. In den Reihen der Männer kreisten lederne Beutel – Wein und Schnaps, den Er’Kan bis zuletzt unter Verschluß gehalten hatte. Er wußte warum – auf die ausgemergelten Gestalten mußte der Alkohol eine verheerende Wirkung haben. Zudem wußte Er’Kan als geübter Zecher, daß Alkohol wassertreibend war – jeder morgendliche Brand in der Kehle nach einem üppigen Zechgelage war dafür Beweis.
Die Auszehrung der Besatzung wurde durch den reichlich ausgegebenen Alkohol nur noch verstärkt. Es war der schiere Aberwitz, was Er’Kan machte – wenn einer seiner Männer jetzt auch nur stolperte, war er praktisch ein toter Mann. Völlig ausgedörrt, die Körperkräfte ausgelaugt, die Sinne vom Alkohol umnebelt – daß diese Männer überhaupt noch in der Lage waren, ein paar brauchbare Handgriffe zu machen, war ein kleines Wunder.
In spätestens einer Stunde würden sie alle sturzbetrunken sein, und wenig später tot.
»Holt sie an Bord!« bestimmte der Kommandant. Es war Er’Kan anzusehen, daß auch er die letzten Kräfte mobilisierte.
Die ersten Fische hatten an den Haken angebissen. Sie wurden an Deck gezerrt.
»Tötet sie und preßt das Fleisch aus. Es enthält Wasser«, bestimmte Er’Kan.
Necron wußte, daß auch das nur eine Notlösung war – der Fischsaft war, bei einem vermutlich scheußlichen Geschmack, natürlich salzhaltig, wenn auch nicht so sehr wie reines Meerwasser. Aber der trübe Saft stillte wenigstens für einige Zeit den Durst – was in ein paar Stunden wurde, konnte den Männern gleichgültig sein. Entweder schafften sie es, das Land zu erreichen, dann konnten sie soviel Wein und Fischsaft im Körper haben wie sie wollten, sie waren dann gerettet – oder der Versuch mißlang, und dann war es unwichtig, ob der Tod schon jetzt oder erst in den Morgenstunden des nächsten Tages seine Ernte heimfuhr.
Necron mußte alle Kräfte aufbieten, um das Deck wieder erreichen zu können. Wein wurde ihm angeboten, und er ließ die Flüssigkeit durch die Kehle laufen.
Nie zuvor hatte Necron Wein – und dieser war wahrhaftig nicht schlecht – gegen den Durst getrunken, und er spürte auch, wie der feurige Tropfen in seinem Magen ankam. In spätestens einer Stunde würde er sturzbetrunken sein.
»Sei’s drum!«
Wie Fieberkranke schufteten die Männer der Doppelaxt. Immer mehr Fische wurden gefangen. Mit frischen Kräften wurde ihnen der trübe Saft abgezapft, der rasch unter der Besatzung verteilt wurde. Auch Necron trank davon. Er schmeckte seltsam – überhaupt nicht nach Fisch, aber keineswegs gut. Indessen war er recht kühl, netzte die Lippen und stillte vorläufig den quälenden Durst. Necron spürte, wie seine Kräfte zurückkehrten.
Strohfeuer, mehr nicht; Necron wußte es. Jeder an Bord wußte es. Es würde keinen zweiten Versuch geben.
»Schiff in Sicht!«
Jemand am Bug hatte den Ruf ausgestoßen.
Necron wandte den Kopf.
Sie kamen aus der Sonne heraus, ein schwärzlicher Schemen gegen die silbern strahlende See.
»Kannst du das Segelzeichen erkennen?«
»Nicht auszumachen, Kommandant.«
Gaphyr trat zu Necron.
»Es kommt aus der falschen Richtung«, sagte er mit rauher Stimme. »Wir werden sehen – in jedem Fall halten wir weiter auf das Land zu.«
Er’Kan ließ den Blick zwischen
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