Mythor - 135 - Die Unberührbaren

folgen. Das hätte Necron nicht erschüttert, wäre diese Hatz von Seiten der Galeeren nicht zugleich entsetzlich zielgenau ausgefallen. Stets kam das Dum-Dum genau von hinten, trieb den Großen Wolf gleichsam vor sich her.
    Der Wind war abgeflaut. Mit der verringerten Segelfläche machte der Große Wolf ziemlich genau die gleiche Fahrt wie die Galeeren – und dieses Spiel konnte so weitergehen bis zum Morgengrauen. Danach war es dann allerdings bald vorbei – Fackelsignale oder Flaggenzeichen an die Stationen auf den Inseln würden bald neue Galeeren auftauchen lassen, und wenn es, wie so oft in den Morgenstunden, zu einer Flaute kam, war der Große Wolf rettungslos verloren.
    »Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wo wir stecken«, flüsterte Kutazin.
    »Ich auch nicht«, murmelte Necron.
    Das drängende, nervenzerfetzende Dum-Dum ließ den Piraten keine Wahl – sie mußten weiter, immer hinein ins nächtliche Ungewisse.
    Aus zwei Gründen hatte Necron absolute Stille befohlen. Zum einen wollte er vermeiden, daß die Galeerenbesatzungen etwas von den Vorgängen an Bord des Großen Wolfs hören konnten – die Wahrscheinlichkeit war nicht sehr groß bei dem Lärm, den der Taktschläger veranstaltete – zum anderen wollte Necron sicher sein, daß der Ausguck das leiseste Geräusch der Brandung sofort wahrnehmen und an die Besatzung weiterleiten konnte.
    Dum-Dum-Dum .
    Kutazin und Necron sahen sich an. Abrupt hatte der Taktschläger der Galeere die Schlagzahl angehoben – das bedeutete, daß die Ruderschiffe aufholten.
    »Mehr Segel setzen?« fragte Kutazin. Der leise Spott war nicht zu überhören – noch mehr Segelfläche hätte bedeutet, das Schiff in eventuelle Klippen förmlich hineinzujagen. Die Sache war so schon gefährlich genug.
    »Der Wind frischt wieder auf«, meldete der Rudergänger.
    Necron stieß einen weiteren Fluch aus. Auch bei verminderter Segelfläche wurde das Schiff nun schneller.
    »Ein wenig abfallen«, sagte er leise. Kutazin, der augenscheinlich nur noch die eine Hoffnung hatte, daß Necron tatsächlich mit den Lichtmächten oder sonstwem im Bunde war, sorgte dafür, daß der Befehl zügig ausgeführt wurde.
    Das Taktschlagen hätte sich jetzt ein wenig verändern müssen – es hätte aus einer geringfügig veränderten Richtung kommen müssen. Nichts dergleichen war zu hören.
    Unerbittlich und unaufhörlich rückte das dumpfe Trommelschlagen näher – und das in einer schier undurchdringlichen Dunkelheit, die alles und jedes ins Übermäßige steigern konnte. Wie der Herzschlag eines ergrimmten Riesen klang das Dum-Dum-Dum in Necrons Ohren, das nun langsam hörbar werdende Plätschern der Ruder deutete er als Schrittgeräusche dieses Riesen.
    Rasch streifte er die Angst ab.
    »Ihr wißt, was ihr zu tun habt?« fragte Necron die Männer in seiner Nähe. Sie nickten.
    Sobald die Brandung zu hören war, wollten sich Necron und seine Gefährten mit Beibooten absetzen lassen. Auch Kutazin wollte sie an Land begleiten. Der Große Wolf sollte dann sein Heil in der Flucht ins offene Meer suchen – doch daraus schien nun nichts werden zu wollen.
    Wie gründlich Necrons Plan danebengegangen war, erwies sich einen Herzschlag nach Necrons geflüsterter Frage – unerträglich laut schallte das Geräusch durch die Nacht, und es war geeignet, selbst den unerschrockensten Gemütern die Haare aufzustellen.
    Poltern, Knirschen, Splittern, Kreischen – das Schiff war mit dem Rumpf auf ein Riff gelaufen.
    Dum-Dum-Dum-Dum .
    Alle Gebote des Schweigens fallen lassend, griff Necron zur Sprechtüte.
    »In die Boote, Leute!« schrie er.
    Kutazin fluchte erbittert. Er wußte, daß sein Schiff verloren war.
    Der Große Wolf saß fest. Auf den Galeeren mußte man das Knirschen und Krachen gehört haben – mit höchster Schlagzahl fegten die Galeeren heran.
    »Sputet euch!« schrie Necron. »Ihr habt nicht viel Zeit.«
    Die Männer gaben ihr Bestes. Keiner der Seeräuber hatte Lust, an einer Rah zu baumeln, und so sahen sie zu, daß sie die Boote bemannten.
    Wer sich zutraute zu schwimmen, packte sich irgendein Stück tragfähiges Holz und sprang damit über Bord. Ein paar habgierige Narren hatten sich, jeder Vorsicht zum Trotz, die Taschen und Beutel mit Gold vollgestopft – auf dem Grund des Meeres würden sie bemerken, wie unsinnig der Einfall war, sich derart zu beschweren.
    »Sie machen Feuer für die Katapulte«, stieß Necron hervor.
    Der Große Wolf bewegte sich noch. Jede Welle hob das Schiff ein