Mythos Übergewicht: Warum dicke Menschen länger leben. Was das Gewicht mit Stress zu tun hat - überraschende Erkenntnisse der Hirnforschung (German Edition)
Stress ist, der unser Stresssystem dauerhaft hochbringt und der die einen dünn, die anderen dick macht, während wieder andere durch willentliche Entscheidung ihre Nahrungsaufnahme künstlich beschränken und so gegen die Zunahme ihres Körpergewichts kämpfen. Die Definition von Stress ist in der Tat vielschichtig. Psychosoziale Stressoren können im persönlichen Umfeld auftauchen, oder sie sind Teil einer großen gesellschaftlichen Entwicklung. Die Welt, in der wir leben, wirkt unweigerlich auf uns ein. Das ist die banale Wahrheit. Komplizierter wird es, wenn wir versuchen, bei der Ursachenforschung konkret zu werden. Warum nehmen Menschen zu? Als gesicherte Risikofaktoren für Gewichtszunahme gelten: hohe Anforderungen im Beruf; eintönige berufliche Arbeit; fehlende Möglichkeiten, persönliche Fähigkeiten im Beruf einzusetzen; geringe Möglichkeit, auf Entscheidungen Einfluss zu nehmen; empfundene Eingeschränktheit im Leben; Schwierigkeiten bei der Bezahlung von Rechnungen; Spannungen in Ehe, Partnerschaft und Familie. Arbeitslosigkeit oder die Angst davor, seinen Job zu verlieren, sind ebenfalls unbestritten starke psychosoziale Stressoren, die erhebliche Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben. Aber inwiefern ist das Risiko des Arbeitsplatzverlustes ein persönliches Problem, das der Betroffene selbst lösen könnte – oder Folge einer gesellschaftlichen beziehungsweise wirtschaftlichen Entwicklung, die er so gut wie gar nicht beeinflussen kann?
Wenn wir uns die Statistiken der Weltgesundheitsorganisation anschauen oder auch die nationalen Erhebungen zur Entwicklung des Körpergewichts der Bevölkerungen in den Industrienationen, wird offensichtlich, dass die Zahl der Menschen mit hohem Körpergewicht in den vergangenen Jahrzehnten deutlich bis drastisch zugenommen hat. Woran liegt das?
Warum sind so viele Amerikaner dick? Oder was Ungerechtigkeit mit dem Körpergewicht zu tun hat
Auf der Suche nach möglichen Ursachen sind die britischen Wissenschaftler Kate Pickett und Richard Wilkinson der Frage nachgegangen, welche Rolle gesellschaftlich verursachter psychosozialer Stress spielen könnte. Picketts und Wilkinsons Ausgangspunkt war die Frage, wie ausgeglichen das wirtschaftliche und soziale Gefüge einer Gesellschaft ist oder eben wie ungleich und welche Auswirkungen Gleichheit beziehungsweise Ungleichheit auf die Gesundheit der Bürger des jeweiligen Landes haben. Das Wesen der materiellen Ungleichheit im Sinne von Pickett und Wilkinson lässt sich vereinfacht so beschreiben: Ungleichheit entsteht prinzipiell in jeder Gesellschaft, deren wirtschaftliche und soziale Basis auf dem Konkurrenz-Prinzip beruht. Sie nimmt zu mit der Zahl der Menschen, die nach dem Grundsatz handeln: » Je mehr du besitzt, desto mehr nimm anderen weg! « Sie nimmt weiter zu, je größer das Ausmaß an Diskriminierung ist, mit dem gezielt bestimmten Menschengruppen der Zugang zu materiellen Ressourcen erschwert oder verwehrt wird. Dahinter steckt die Formel: »Je weniger du hast, desto weniger bekommst du ab!« Der Ungleichheit und ihren Folgeerscheinungen entgegen wirken politische Maßnahmen, mit denen eine Regierung für gerechteren sozialen Ausgleich sorgt. Für ihr Buch »Gleichheit ist Glück – Warum gerechte Gesellschaften für alle besser sind« haben die beiden renommierten Epidemiologen über Jahrzehnte hinweg statistische Daten aus 23 Industrienationen ausgewertet und verglichen. In diesen Statistiken werden gesundheitliche und soziale Entwicklungen wie gegenseitiges Vertrauen, Lebenserwartung, Angststörungen, Drogenkonsum, Gewaltverbrechen, gesundheitliche Probleme, Schulabschlüsse und eben Fettleibigkeit untersucht. Im nächsten Schritt haben die beiden Autoren die Ergebnisse in Relation zu den Einkommensunterschieden in den jeweiligen Ländern gesetzt. Dabei ging es ihnen nicht um das statistische Pro-Kopf-Einkommen, sondern um die Frage: Wie weit klafft die Schere zwischen Menschen mit hohen und niedrigen Einkommen? Die Wissenschaftler errechneten einen statistischen Faktor für die Einkommensverteilung. So ermittelten sie Schweden, Finnland und allen voran Japan als Länder mit hoher Einkommensgleichheit in der Bevölkerung. Die mit Abstand größte Einkommensungleichheit fanden die Forscher dagegen in den USA , wo sich auch anhand von neuen wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Forschungsergebnissen nachweisen lässt, dass eine kleine und mächtige Oberschicht besonders vehement den eigenen
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