Mythos Übergewicht: Warum dicke Menschen länger leben. Was das Gewicht mit Stress zu tun hat - überraschende Erkenntnisse der Hirnforschung (German Edition)
ab, entwickeln später aber einen größeren Taillen- bzw. Bauchumfang. Ihr Stresssystem bleibt hochaktiv. Menschen des Typs B hingegen passen sich an den Stress an – ihr Stresssystem wird gedämpft, wird niedrigreaktiv, aber als Nebenwirkung nehmen sie an Gewicht zu. Ihre Figur lässt sich als dick und hüftbetont beschreiben. Hellgraue Kreisfläche = ausgeglichener Hirnstoffwechsel; dunkelgraue Kreisfläche = destabilisierter Hirnstoffwechsel.
Typ B. In der ruhigen Umgebung sieht Typ B genauso aus wie Typ A, schlank und entspannt. Er lässt sich unter stressfreien Bedingungen nicht von Typ A unterscheiden.
In einer stressvoll-gefährlichen Umgebung verändern Typ-B-Menschen sich ebenfalls, aber sie nehmen eine andere Erscheinungsform an als Typ A: Ihr Stresssystem wird durch die Dauerstress-Belastung träger und reagiert kaum noch. Das nennt man »Habituation«, »Gewöhnung«. Ihr Cortisolspiegel ist deshalb normal oder nur leicht erhöht (obwohl die Welt um sie herum feindlich bleibt). Sie reiben sich weder auf, noch verzehren sie sich. Und bei ihnen wächst das Bauchfett nicht oder zumindest nicht so stark. Da aber ihr Stresssystem funktionseingeschränkt ist und das Gehirn nicht mehr ausreichend aus den Körperdepots versorgen kann, müssen Typ-B-Menschen mehr essen, um ihr Gehirn zu bedienen, und sie nehmen überall am Körper an Gewicht zu. Das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist für Typ-B-Menschen aufgrund ihres niedrigeren Cortisolspiegels insgesamt deutlich niedriger als beim Stress-Typ A in der stressvollen Umgebung.
Was ist nun also von der bis heute verbreiteten medizinischen Einschätzung zu halten, dass dicke Menschen ein höheres Gesundheitsrisiko haben als schlanke? In Wahrheit war das Bild von Anfang an schief. Der Fehler besteht darin, dass seit Jahrzehnten die Gesundheitsrisiken »gestresster Dicker« mit denen von »entspannten Schlanken« verglichen wurden. Dabei haben die gestressten Dicken in der Tat gesundheitliche Nachteile. Aber warum? Weil sie dick sind? Oder weil sie gestresst sind? Vergleicht man aber gestresste Dicke mit gestressten Schlanken, offenbart sich die eigentliche Problematik: Die durch das Dauer-Cortisol bedingten Gesundheitsrisiken der gestressten Dünnen überwiegen bei Weitem die gesundheitlichen Nachteile der Fettleibigkeit (zum Beispiel verstärkter Gelenkverschleiß durch Arthrose). Über welche Dimensionen wir hier sprechen, macht die Verteilung der Erscheinungsformen deutlich:
Nur ein geringer Anteil der Gesamtbevölkerung ist schlank und nicht gestresst (wahrscheinlich weniger als 20 Prozent).
Den weitaus größeren Anteil der Bevölkerung bilden die anderen beiden Erscheinungsformen, die in stressvoller Umgebung anzutreffen sind: der bauchbetonte Typ A und der hüftbetonte Typ B. Wer wissen will, welchem Stresstyp er angehört, kann dies mit Hilfe des folgenden Schemas herausfinden.
Abb. 6: Welcher Stresstyp bin ich?
Anhand dieser Grafik kann jeder selbst einen Anhaltspunkt ermitteln, zu welchem Stresstyp er gehört. Bei diesem Modell wird berücksichtigt, wie sich Diäten oder kalorienreduzierendes Ernährungsverhalten – so genanntes »gezügeltes Essen« – auswirken. So haben Menschen vom Typ B, die ihr Essverhalten disziplinieren, unter Stress zwar eine schlanke Figur – ihr Stresssystem wird aber nicht entlastet; es bleibt in Folge dessen überaktiv. Folge: Menschen vom Typ B, die Kalorien reduzieren, tragen in stressvoller Umgebung vergleichbare Gesundheitsrisiken wie Menschen vom Typ A
Es gibt für die Industrienationen zuverlässige Statistiken, in welchem Umfang der Anteil der Menschen, die starkgewichtig geworden sind, in der Bevölkerung des jeweiligen Landes zugenommen hat. Allerdings wird mittlerweile aus einigen Ländern, in denen der Anteil dicker Menschen in der Bevölkerung besonders hoch ist, wie etwa in Australien, China, England, Frankreich, den Niederlanden, Neuseeland, Schweden, Schweiz und den USA gemeldet, dass ein gewisser »Sättigungsgrad« sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen erreicht ist und der Prozentsatz an dicken Menschen 50 Prozent nicht mehr übersteigt. Das würde dafür sprechen, dass in diesen Ländern nahezu alle B-Typen schon ihre dicke Erscheinungsform angenommen haben – also dauerhaft gestresst sind oder waren.
Der Anteil der gestressten Dünnen ist nicht ganz so einfach auszumachen. Doch es darf angenommen werden, dass diese Gruppe etwa so groß ist wie die der gestressten Dicken.
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