Mythos Übergewicht: Warum dicke Menschen länger leben. Was das Gewicht mit Stress zu tun hat - überraschende Erkenntnisse der Hirnforschung (German Edition)
Unschärfen können beispielsweise entstehen, weil gestresste A-Typen, die eine Depression entwickeln und deswegen Antidepressiva einnehmen, infolge der Nebenwirkung dieser Pharmaka zunehmen. Es gibt andererseits gestresste B-Typen, die ihre Kalorienaufnahme künstlich beschränken und dadurch ihre Gewichtszunahme zunächst verhindern. Wer durch Diäten oder andere Abnehmbemühungen sein Gewicht runtergehungert hat, ist auf jeden Fall ein Mensch, der sich seine schlankere Figur mit einem permanent destabilisierten Hirnstoffwechsel (erhöhtes Cortisol, verminderte Hirnleistung) und den damit verbundenen mittel- bis langfristigen Gesundheitsrisiken erkauft. Und wer als Typ B mehrfach versucht, sich schlank zu hungern, es aber nicht schafft, der hat am Ende beides – ein hohes Körpergewicht und einen Bauch.
Doch es gibt auch eine unmittelbare Auswirkung: Der innere Kampf gegen das eigene Körpergewicht hält den Stresspegel hoch und sorgt für schlechte Stimmung, Reizbarkeit, zuweilen auch erhöhte Aggressionsbereitschaft. Wenn ich bei Vorträgen erläutere, dass Gewichtszunahme kein Hinweis auf Disziplinlosigkeit oder einen schwachen Willen ist, sondern vielmehr Ausdruck des natürlichen Energiebedarfs des Gehirns, erlebe ich neben großer Erleichterung (meist von starkgewichtigen Menschen) aber auch teilweise ablehnende Reaktionen im Publikum. Fast immer sind es schlanke Menschen, die sehr emotional und heftig reagieren. Die Dicken – so der Tenor der Kritik – könnten abnehmen, wenn sie nur wollten; dass sie sich immer fetter fressen, würde einen aufregen; man könne das nicht nachvollziehen; man selbst würde es ja auch schaffen, schlank zu bleiben – usw.
Ich möchte an dieser Stelle nicht darüber spekulieren, welche tieferen psychologischen oder biologischen Gründe diese Vehemenz haben könnte. Sie ist aber offenkundig Ausdruck einer mehr oder weniger unverhohlenen Ablehnung dicken Menschen gegenüber, die in unserer Gesellschaft nicht unbedingt auf Respekt, Toleranz und Verständnis zählen dürfen.
2 Formel zur Berechnung:
Taillen-Größen-Index = Taillenumfang in Metern/Körpergröße in Metern
Nimm doch endlich ab!
Natürlich sieht man die Blicke von fremden Menschen, die einen beim Einkaufen anstarren und die dann ihren Begleitern zuflüstern: »Mensch, hast du diese schwarze Frau gesehen?« Oder wenn Kinder (die man gar nicht kennt) zu einem sagen: »Bist du aber schwarz!« Ein weiteres krasses Beispiel meiner Leidenszeit (ja, man kann es durchaus Leidenszeit nennen) war folgendes: Ich war zum Shopping in einem Kaufhaus und wollte unter anderem eine Freundin besuchen, die dort arbeitet. Die Abteilung der Freundin befindet sich im dritten Stock, also benutze ich den Fahrstuhl. Im ersten Stock steigt ein älteres Ehepaar zu. Als sich die Türen schließen, sagt die Frau zu ihrem Mann – so laut, dass ich es hören kann: »Rudi, meinst du, es war eine gute Idee zu dieser schwarzen Kuh in den Fahrstuhl zu steigen?« Sonst bin ich eigentlich nicht auf den Mund gefallen, aber das hat mich sprachlos und empört gemacht …
Wer könnte diese Sprachlosigkeit und Empörung nicht nachvollziehen. Niemand würde bestreiten, dass es sich bei den Erlebnissen der erzählenden Person um Fälle von Rassendiskriminierung handelt – auch wenn es den »Tätern« vielleicht nicht einmal bewusst wird, dass ihr Verhalten diskriminierend ist. Diskriminierung entsteht bekanntermaßen nicht selten aus Vorurteilen, die gedankenlos weitergegeben werden. Die eingangs des Kapitels geschilderten Erfahrungen sind Auszüge aus einem Brief, den eine 46 -jährige Frau verfasst und an eine Organisation geschickt hat, die sich den Kampf gegen Diskriminierung zur Aufgabe gemacht hat.
Allerdings haben wir für den Abdruck hier im Text eine winzige, aber gravierende Veränderung vorgenommen. Machen wir also ein kleines Experiment: Wir versetzen beim nochmaligen Lesen den Text in seinen originalen Zustand zurück. Das ist ganz einfach – wir müssen nur das Wort »schwarz« durch »fett« ersetzen …
Natürlich sieht man die Blicke von fremden Menschen, die einen beim Einkaufen anstarren und die dann ihren Begleitern zuflüstern: »Mensch, hast du diese fette Frau gesehen?« Oder wenn Kinder (die man gar nicht kennt) zu einem sagen: »Bist Du aber fett!« Ein weiteres krasses Beispiel meiner Leidenszeit (ja, man kann es durchaus Leidenszeit nennen) war folgendes: Ich war zum Shopping in einem Kaufhaus und wollte unter anderem
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