Mythos Übergewicht: Warum dicke Menschen länger leben. Was das Gewicht mit Stress zu tun hat - überraschende Erkenntnisse der Hirnforschung (German Edition)
sich geht, wenn schlanke Menschen einen Bauch bekommen. Denn diese Form der Körperveränderung unterscheidet sich grundsätzlich von jenem Dicksein, bei dem Hüften, Beine und Gesäß betroffen sind. Dünne bekommen nicht deshalb einen großen Bauch, weil sie mehr essen oder weniger Sport treiben, sondern einzig und allein, weil ihr Stoffwechsel sich unter dem stetigen Einfluss des Stresshormons Cortisol verändert. Dieser Prozess der Neu-Ausrichtung verläuft sehr langsam, und es kann viele Jahre dauern, bis er in Form eines wachsenden Taillenumfangs deutlich sichtbar wird. Es ist ein wichtiges Stadium in der Verwandlung eines A-Typen, der in eine stressvolle Umgebung geraten ist und bei dem der Cortisolspiegel im Blut immer wiederkehrend oder auf Dauer erhöht ist. Bei RoutineUntersuchungen durch einen Hausarzt oder Internisten bleiben diese Veränderungen meist unbemerkt oder zumindest unberücksichtigt. Ein Stress-A-Patient kann auch mit einem deutlich gewachsenen Bauchumfang insgesamt einen unauffälligen BMI -Wert unter 25 erreichen. Mit dem Body Mass Index ( BMI ) wird das Dicksein (Fettleibigkeit) gemessen, das alle Körperpartien gleichermaßen betrifft. Ab einem Wert von über 25 würde der Arzt den Körperumfang wahrscheinlich als problematisch ansprechen. Ein vergrößerter Bauchumfang allein löst bisher hingegen weit seltener einen Alarm aus. Das liegt daran, dass die Einordnung von Menschen in unterschiedliche Stresstypen eine vergleichsweise neue Betrachtungsweise ist, die gerade erst aus der Stressforschung in die Medizin übertragen wird und noch kaum Eingang in hausärztliche Routine-Untersuchungen gefunden hat. Hier wird es aufgrund der jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnisse sicherlich zu einem Umdenken kommen. Das kann allerdings noch einige Jahre dauern. Dabei könnte man schon heute bei einem schlanken 30 -Jährigen feststellen, ob er schlank bleibt oder Gefahr läuft, in den nächsten Jahren einen großen Bauch zu entwickeln. Man müsste nur die Tagesprofile seiner Cortisolwerte im Blut (oder im Speichel) regelmäßig bestimmen, um herauszufinden, ob sie dauerhaft oder wiederholt erhöht sind. Wenn ja, befindet sich der Mensch »unter Last«. Und wenn er dann außerdem ein Stress-A-Typ ist, wird sein Bauchumfang wachsen. Um diesen Zusammenhang zu verstehen, müssen wir einen kleinen Exkurs in die Physiologie machen. Ich werde versuchen, den Sachverhalt so kurz und verständlich wie möglich darzulegen.
Bauch oder Körper – wozu wir zwei ganz unterschiedliche Arten von Fettgewebe brauchen
Vereinfacht gesagt gibt es zwei Arten von Fett im menschlichen Organismus: Körperfett und inneres Bauchfett. Das Körperfett, auch »peripheres Fett« oder »Unterhautfettgewebe« genannt, das sich überall im Körper unter der Haut bilden kann – im Gesicht, am Hals, an den Armen und Beinen, an den Hüften. Es bildet sich auch »am Bauch«, also als Außenschicht; es gehört zur ersten Schicht unter der Haut, die der Chirurg bei einer Operation durchtrennt. Ausgeprägte Körperfettanteile ergeben das Bild eines klassisch starkgewichtigen Menschen.
Und dann gibt es noch das eigentliche, das innere Bauchfett oder auch das »abdominale Fett«. Es bildet sich nicht unter der Haut, sondern wächst innerhalb des Bauchraums und lagert sich zwischen den Darmschlingen und Bauchgefäßen an. Die Verteilung des Bauchfetts im Körper ist mit einem Eisberg vergleichbar, der im Ozean treibt: Nur der geringere Teil dieses Fetts ist als Bauchansatz von außen an der Körperform sichtbar. Der größere und somit unsichtbare Fettanteil befindet sich »unter Wasser«, also im Bauchraum. Was von außen wie ein Bäuchlein aussehen mag, birgt mitunter einen sehr viel höheren Fettanteil als vermutet.
Diese beiden Fettarten unterscheiden sich zum einen in ihrer Entstehung, aber auch in ihrer Funktion. Körperfett dient bis zu 98 Prozent als Energiereserve für Muskeln und Herz. Bauchfett hingegen ist das exklusive Energiefettreservoir des Gehirns. Dieser Unterschied liegt in einer einfachen anatomischen Gegebenheit der Gefäßversorgung begründet: Die energiereichen Fettsäuren aus dem »peripheren Fettgewebe« – also dem Körperfett – gelangen in den so genannten »großen Kreislauf«, das heißt in das Venensystem, das den Körper drainiert und direkt zum Herzen führt; der Herzmuskel kann diese Energie über die Herzkranzgefäße gleich für sich verwerten, oder das Herz kann diese Energieträger über das
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