Mythos Übergewicht: Warum dicke Menschen länger leben. Was das Gewicht mit Stress zu tun hat - überraschende Erkenntnisse der Hirnforschung (German Edition)
etwas mehr gedemütigt, diskriminiert und unter Druck gesetzt.
Was Kinder wirklich brauchen? Entlastung, Entlastung, Entlastung …
Vielleicht hat sich der eine oder andere Leser bereits gefragt, was das Ganze eigentlich mit Harry Potter zu tun hat? Schließlich weiß jeder, der die Bücher oder die Filme kennt, dass Harry eine Menge Entwicklungen und Wandlungen durchmacht – nur eines wird er nicht: dick. Und das hat einen Grund: Als Harry Potter die Fähigkeit der Zauberei offenbart wird, bekommt er auf fantastische und spektakuläre Weise Zugriff auf das eigene Leben. Er ist vom ohnmächtigen Jungen zum mächtigen Zauberer geworden. Harry ist nicht länger dem tyrannischen Kleinkrieg bei den Dursleys ausgesetzt. Die Art und Weise, wie sie ihre gerechte Strafe erhalten, ist eine Passage im Buch, die wohl vielen Kindern und Jugendlichen, die sich selbst auch ohnmächtig fühlen, aus der Seele spricht. Joanne K. Rowling hat hier – bewusst oder unbewusst – eine Heilungsgeschichte erzählt, in der es dem Helden gelingt, vor dem psychosozialen Terror eines familiären und schulischen Umfelds in eine Traumwelt zu entkommen, die für ihn aber ganz real ist. Harry Potters erster und vielleicht größter Zaubertrick besteht darin, den toxischen Stress verschwinden zu lassen, dem so viele junge Menschen in unserer Zeit ausgesetzt sind.
Natürlich ist Zauberei im echten Leben keine Lösung. Aber Harry Potters Beispiel zeigt, dass es doch einen Weg geben muss, das Stress- und Gewichtsproblem bei Kindern und Jugendlichen zu lösen. Harry wurde erst in dem Moment zu der Person, die er wirklich ist, als er in die Welt der Zauberer aufgenommen wurde. Das klingt natürlich fantastisch, aber wenn wir genau hinschauen, geht es eigentlich um ganz einfache und absolut irdische Dinge. Als Zauberschüler erfährt der elfjährige Junge zum ersten Mal:
Respekt
Freundschaft und Loyalität
Zutrauen
Zugewandtheit
Konstruktive Kritik
Ermunterung zu eigenem, kritischen Denken und seinen Weg zu gehen
Engagierte Lehrer, die ihn fördern und begleiten
Was es bedeutet, Verantwortung zu tragen und daran zu wachsen …
… aber auch Entlastung, wenn der Druck der Verantwortung zu groß wird
Anerkennung seiner Persönlichkeitsentwicklung.
Jeder einzelne dieser zehn Punkte taugt als hochwirksames Mittel gegen psychosozialen Stress bei Kindern. Jeder einzelne Punkt bezeichnet aber leider auch genau das, was Kindern so oft vorenthalten wird. Wir haben ja bereits über Jugendliche und Kinder in den USA gesprochen und gefragt, welche Ursachen und Fehlentwicklungen möglicherweise mitverantwortlich sind, dass viele amerikanische Kinder offenbar so starken Stressoren ausgesetzt sind. Oder anders gefragt: Was sagt es über die Wertschätzung von Kindern aus, wenn zum Beispiel
in einigen amerikanischen Grundschulen nur noch Fingerfood serviert wird, weil die Schulleitung besorgt ist, die Kindern könnten nicht sachgemäß mit Messer und Gabel umgehen und würden sich eventuell verletzen.
immer mehr Schulen Wachdienste und Personenkontrollen einführen, weil die Angst vor den Schülern ausufert.
Kinder unter zwölf Jahren verhaftet und zu Gefängnisstrafen verurteilt werden können.
verhaltensauffällige Jugendliche vom Staat oder auch von ihren Eltern in so genannten Bootcamps festgehalten werden, in denen versucht wird, durch ein System aus Drangsalierung, Demütigung und harten Bestrafungen ihren Willen zu brechen.
Die Liste dieser Beispiele ließe sich fortsetzen. Aber wir müssen gar nicht unbedingt in die USA schauen. Die Situation vieler Kinder und Jugendlicher auch in unserer Gesellschaft ist prekär. Wichtig und wünschenswert wäre, dass es uns gelänge, überhaupt erst einmal zu erkennen, welchen psychosozialen Stressoren Kinder ausgesetzt sind; anzuerkennen, dass hier ein gravierendes Problem für die physische und psychische Gesundheit liegt, und geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Das allerdings ist nichts Geringeres als ein zentrales gesellschaftliches Projekt, an dem alle mitarbeiten müssten.
Es gibt allerdings einiges, das jeder schon jetzt tun kann:
Hören wir sofort damit auf, moppelige oder dicke Kinder zu diskriminieren.
Entlasten wir sie stattdessen, indem wir ihnen sagen, dass ihr Gewicht und ihre Figur den Bedürfnissen ihres Gehirns entsprechen oder, anders gesagt, dass ihr »Dicksein« eine Lösung ist, ihren Hirnstoffwechsel unter gefährlich-unsicheren Lebensumständen ausgeglichen zu halten.
Drangsalieren wir sie
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