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Mythos Übergewicht: Warum dicke Menschen länger leben. Was das Gewicht mit Stress zu tun hat - überraschende Erkenntnisse der Hirnforschung (German Edition)

Mythos Übergewicht: Warum dicke Menschen länger leben. Was das Gewicht mit Stress zu tun hat - überraschende Erkenntnisse der Hirnforschung (German Edition)

Titel: Mythos Übergewicht: Warum dicke Menschen länger leben. Was das Gewicht mit Stress zu tun hat - überraschende Erkenntnisse der Hirnforschung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Peters
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Überlebensvorteil für die Daphnien, die jetzt relativ sicher und unbehelligt ihren Aktivitäten nachgehen können. Das Signal, das die Metamorphose bei den Krebstieren auslöst, senden übrigens die Fressfeinde selber aus – eine Art chemischen Botenstoff, der ihre Anwesenheit im Gewässer verrät und die Daphnien warnt.

    Abb. 9: Warum sich Minikrebse bei Stress einen Helm zulegen
Dauerhafter Stress verändert auch bei afrikanischen Wasserkrebschen der Art daphnia lumholtzi das äussere Erscheinungsbild. Sind viele krebsfressende Fische in der näheren Umgebung, bilden die Krebstierchen eine Art spitz zulaufenden Helm aus. Diese wehrhafte Veränderung dient dazu, Räuber abzuschrecken und somit die eigenen Überlebenschancen zu erhöhen
    Was aber geschieht, wenn im näheren Umkreis überhaupt keine Fische existieren oder ihre Zahl so gering ist, dass sie keine große Gefahr darstellen – wie es zum Beispiel in der Mitte des Albertsees der Fall ist? Dann bleiben die Krebstierchen einfach kuglig-rund und »entspannt«.
    Der Verwandlungstrick der Daphnien blieb sogar den Evolutionsbiologen lange verborgen. Ursprünglich hatte man nämlich angenommen, dass die runden und die behelmten Daphnien zwei verschiedenen Arten angehören, also unterschiedliche Gene besitzen. Aber das stellte sich bei näherer Betrachtung als falsch heraus – es handelt sich um ein und dieselbe Art (die beiden Daphnien auf dem Foto sind sogar Zwillinge, sie stammen aus dem gleichen Klon, sind also genetisch identisch). Wenn also ein ursprünglich rundlicher Minikrebs sich einen spitzen Schwanz und Helm zulegt, ist dies ein adaptiver Akt der so genannten »phänotypischen Plastizität« – also eine Änderung der Erscheinungsform, die einen Prozess der Anpassung darstellt. Den Tieren wachsen Spitzen, weil sie so besser vor Fressfeinden geschützt sind – mit der Folge, dass sie weniger Stress haben. Allerdings hat die Maßnahme ihren Preis: Die Verformung ist nicht reversibel, und sie kostet das Tierchen Wachstumsenergie. Doch die Investition lohnt sich, weil der Vorteil des »Nicht-gefressen-Werdens« eindeutig überwiegt.
    Nehmen wir einmal an, es gäbe in der Raubfisch-verseuchten Uferzone des Sees noch eine weitere Art von Daphnien mit einer anderen genetischen Ausstattung – nennen wir sie der Einfachheit halber die »Typ-A-Daphnien« –, die sich nicht anpassen und schützen können. Sie wären aufgrund ihrer Wehrlosigkeit natürlich die bevorzugte Beute der Raubfische. Und als gejagte Beutetiere würde sich ihr Leben und ihr Verhalten grundlegend von dem in einem sicheren Gewässer unterscheiden. Sie müssten ständig auf der Hut sein, immer bereit zur Flucht, um sich Verstecke zu suchen. Das Leben eines Kleinkrebses des Typs A wäre vom Dauerstress bestimmt. Während die spitzhelmigen Typ-B-Krebse also in Ruhe Nahrung suchen können und tun, was Krebse sonst so tun, muss der A-Krebs seine Aktivitäten immer wieder unterbrechen und ausweichen, wenn sich hungrige Räuber nähern. Und wenn sein Nervensystem etwas entwickelter wäre und er so etwas wie ein Bewusstsein hätte, würde wahrscheinlich bereits die Angst vor dem möglichen Auftauchen eines Raubfischs sein Denken und Verhalten bestimmen, ihn hektisch und nervös werden lassen.
    Wenn Stressoren wie Raubfische agieren, dann leben viele Menschen in einer Art Haifischbecken
    Obwohl wir Menschen natürlich über ein ungleich komplexeres und weiterentwickeltes Gehirn verfügen als die Daphnien, ist unsere Situation der der Minikrebse interessanterweise gar nicht so unähnlich. Im übertragenen Sinne kann man unsere Lebensumwelt durchaus auch als Gewässer sehen. Und diese Gewässer, in denen wir uns bewegen, können ein vergleichsweise friedlicher und harmloser Lebensraum sein – oder eben nicht. Manch einer mag jetzt denken, Raubfische – also irgendjemand, der uns stresst – gibt’s doch immer. Tatsächlich ist es so, dass die meisten von uns sich in einem Umfeld befinden, das mit dem Lake Albert und seinen Zonen vergleichbar ist: Da gibt es die »Familienzone«, das »Partnerschaftsbassin« oder die »Job-Untiefe«, um nur einige zu benennen. Im Gegensatz zu den Daphnien, die in ihren Zonen verharren, pendeln wir allerdings hin und her; und natürlich sind wir nicht alleine. Die spannende Frage lautet: Was passiert mit uns, wenn wir feststellen müssen, dass in einer oder mehrerer dieser Zonen Haifische hausen?
    Kehren wir noch einmal zu den Wasserkrebsen zurück. Also die

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