Mythos Übergewicht: Warum dicke Menschen länger leben. Was das Gewicht mit Stress zu tun hat - überraschende Erkenntnisse der Hirnforschung (German Edition)
nicht länger mit Diäten und Essverboten. Lassen wir die Eltern in Ruhe und machen wir ihnen kein schlechtes Gewissen, dass sie ihr Kind zu kalorienreich ernähren. Die Kinder brauchen ihre Extra-Energie, um unter den bestehenden Lebensbedingungen zu überleben!
Psychosoziale Entlastung ist der logisch richtige und entscheidende Schritt, um Frust und Stress abzubauen. Wenn es uns dann noch gelingt, Kindern und Jugendlichen mehr Respekt, Anerkennung, Zutrauen, Vertrauen und echte Entwicklungsmöglichkeiten zu vermitteln, kann auch das Wunder wirken. Untersuchungen der amerikanischen Familientherapeutin Laurel Mellin von der Universität Berkeley zeigen, dass Entlastung und das Erlernen von Strategien zur Konfliktlösung bei dicken Jugendlichen und Erwachsenen das Stresssystem – und damit den Hirnstoffwechsel – in ein neues Gleichgewicht bringen können. Eine nicht ganz unerwünschte Nebenwirkung der Behandlung besteht darin, dass die Betroffenen schlanker werden – ohne Diät.
Doch leider sind diese Lebensqualitäten, also »Zuwendung«, »Entwicklungsmöglichkeiten«, »Anerkennung«, »Entlastung«, »Zutrauen«, in vielen Bereichen unseres Lebens Mangelware. Im dritten Kapitel haben wir die fünf großen Stresszustände kennengelernt: »Einsamkeit«, »Armut«, »Arbeitslosigkeit«, »Arbeitsstress (Überforderung, geringe Einflussnahme)«, »Partnerschaftskonflikte«, und wir können an dieser Stelle festhalten, dass sie sich zu den oben genannten Lebensqualitäten entgegengesetzt verhalten:
Zuwendung <––––––––––––––––––> Einsamkeit
Entwicklungsmöglichkeiten <–––––> Armut
Anerkennung <–––––––––––––––––> Arbeitslosigkeit
Entlastung <–––––––––––––––––––> Arbeitsstress
Vertrauen <–––––––––––––––––––> Partnerschaftskonflikte
Es ist natürlich wünschenswert, in einem psychosozialen »Biotop« zu leben, das von Lebensqualität geprägt ist. Aber in der Realität stellt sich leider oft heraus, dass wir stattdessen von Stressoren umgeben sind, die uns und unser Verhalten bestimmen, auch wenn uns dies oft nicht bewusst ist. Metaphorisch gesprochen könnte man sagen: Manche Gewässer, in denen wir schwimmen, mögen an der Oberfläche friedlich erscheinen – aber häufig stellen wir fest, dass sich Haifische im Wasser befinden.
Das Leben im Haifischbecken
Der Albertsee, oder auch Lake Albert, befindet sich in Zentralafrika. Die Ostseite des Gewässers gehört zur Demokratischen Republik Kongo, der westliche Teil des Sees liegt in Uganda. Der Lake Albert wird von zwei Flüssen gespeist und gilt als außerordentlich fischreich. Allerdings verteilen sich die Fischpopulationen nicht gleichmäßig im See: Die meisten Schwärme leben an den Uferzonen, in der Mitte gibt es hingegen kaum Fische. Diese Information ist nicht nur für die Fischer wichtig, sondern bestimmt auch das Leben einer Spezies unscheinbarer Seebewohner: der Krebstierchen daphnia lumholtzi . Die häufig auch als »Wasserflöhe« bezeichneten Tierchen haben den Albertsee zu ihrem Lebensraum erkoren. Bei den winzigen Daphnien (sie sind gerade noch mit dem bloßem Auge zu erkennen) handelt es sich um eine invasive Art, die eigentlich aus Asien stammt, auf unbekannten Wegen nach Afrika gelangte und jetzt nach und nach die Gewässer des Kontinents erobert. Wie die meisten invasiven Arten sind auch Daphnien Überlebens- und Anpassungskünstler. Das Phänomen der Anpassung als Überlebensvorteil interessiert natürlich unter den Wissenschaftlern Evolutionsbiologen besonders. Und daphnia lumholtzi ist derzeit einer der großen Stars in diesem Forschungszweig. Denn die kleinen Krebse haben eine Fähigkeit, die sie zu etwas Besonderem in der Tierwelt macht: Sie können auf Stress reagieren, indem sie ihre äußere Erscheinungsform verändern; und einer der größten Stressoren, wenn man ein zirka 1 Millimeter kleiner Krebs ist, besteht in der Gefahr, von einem Fisch gefressen zu werden. Wächst also der kleine Krebs in einer Umgebung auf, in der sich auch Plankton-fressende Fische tummeln (für das Tierchen sind das gefährliche Räuber), panzert sich das ansonsten kugelförmige Tierchen mit zwei spitzen, dornenartigen Auswüchsen – einer Art Schwanz und einem »Helm«. So wird das Krebschen von einer leichten Beute zu einer, die für den angreifenden Fisch nicht so leicht zu haben ist. Ein klarer
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